Und es ist doch eine Bankenkrise
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Elisabeth Oberndorfer
Kolumnistin

Und es ist doch eine Bankenkrise

Die SVB pleite, die Credit Suisse notverkauft, die Deutsche Bank in Turbulenzen - und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz meint, es gebe keinen Grund zur Sorge? Oh doch.

“Es gibt keine Bankenkrise”: Wie oft kann man diese Worte wiederholen, bis sie bei den Bürger*innen Verunsicherung statt Vertrauen hervorrufen? Seit Anfang März sagen Staatschefs, Notenbanker*innen und Ökonom*innen immer wieder ihr Mantra auf – der Fall einer kalifornischen Regionalbank, einer Schweizer Großbank und der Kursverlust der Deutschen Bank seien Einzelfälle und deshalb nicht mit der Krise von 2008 vergleichbar. Nur: Diese Einzelfälle verbindet einiges, das eben doch einen Systemfehler implizieren könnte.

Der erste Einzelfall war die Silicon Valley Bank (SVB): Als Investor Peter Thiel öffentlich verkündete, seine Einlagen abzuziehen, weil die Bank nicht mehr sicher sein könnte, zogen andere Kolleg*innen aus der Tech-Branche nach. Diesen "Bank Run" konnte die Silicon Valley Bank nicht mehr bedienen, weshalb die öffentliche Hand eingriff. Die Bank hatte die Reserven ihrer Firmenkunden großteils langfristig angelegt und kam deshalb in existenzbedrohende Schwierigkeiten. Die US-Regierung beschwichtigte, dass die Einlagen gesichert seien. Dass es soweit kam, lag in erster Linie an mangelndem Risikomanagement und Misswirtschaft.
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Zeitgleich zum Crash in Kalifornien musste auch in der Schweiz eine Bank von der Regierung gerettet werden: Die Probleme der Credit Suisse waren im Gegensatz zur SVB schon länger bekannt. Sie war wegen – aber nicht nur – fragwürdiger Geschäfte in wirtschaftliche Schieflage geraten. Die Situation kippte letztlich, als der Groß-Aktionär SNB, die Saudi National Bank, die fast zehn Prozent der Credit Suisse hielt, keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stellen wollte.

Spekulation lässt Deutsche Bank taumeln

Der dritte Einzelfall kam nachgelagert: Etwa zwei Wochen nach den Krisen bei der Silicon Valley Bank und Credit Suisse stürzte die Aktie der Deutschen Bank ab. Analyst*innen glaubten zuerst, dass der Ausverkauf an der Börse mit der Unsicherheit am Finanzmarkt zusammenhängt. Wenig später stellte sich heraus, dass der Kursabsturz vor allem Spekulant*innen zuzurechnen ist, die auf einen Absturz der Aktie wetteten. Diese sogenannten Leerverkäufe – dabei werden Positionen verkauft, um sie später zu einem niedrigeren Preis wieder zu kaufen – hatten sich verdreifacht, seitdem die Diskussion um eine erneute Bankenkrise ausgebrochen war.

Auch wenn es bei der Deutschen Bank – wie auch bei der Credit Suisse – schon Geldwäsche-Skandale gab: Aktuell gibt es noch keine Hinweise darauf, dass ein Fehlverhalten des Managements den Kurs fallen lässt. Andrea Enria, Chefaufseher der Europäischen Zentralbank, sieht die Lage dennoch kritisch: “Was mich besorgt, ist die Nervosität, die ich am Markt und unter den Investoren gesehen habe.” Zum Fall der Credit Suisse sagt Andreas Treichl, langjähriger Chef der Erste Group: “Es gab viele Indizien in den vergangenen Jahrzehnten, dass das irgendwann scheitern wird.”

Bankenkrise ist immer auch eine Vertrauenskrise

Womit wir wieder beim Vertrauen sind: Wenn das Management großer Banken auch nach der Finanzkrise 2008 nicht gelernt hat, nachhaltig zu wirtschaften, mit dem aktuellen Zinsumfeld umzugehen und Korruption zu vermeiden – ist es dann wirklich keine Bankenkrise?

Vielleicht sieht die Krise im Jahr 2023 anders aus, als die vor 15 Jahren. Doch diese Einzelfälle zeigen, wie fehlerhaft das Bankensystem ist, und wie sehr es immer wieder im Notfall auf staatliche Unterstützung zurückfallen kann. Dass Aktionär*innen und Bürger*innen hier eher unruhig reagieren und sich an 2008 erinnert fühlen, scheint unumgänglich.

Olaf Scholz macht sich keine Gedanken

“Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen”, meint der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Wirklich? Dass die Manager*innen börsennotierter Bankengruppen und Regionalbanken mit Einlagen in dreistelliger Milliardenhöhe ihre Geschäfte nicht im Griff haben, sollte den Entscheider*innen und Stakeholdern sehr wohl zu denken geben.

Wenn die Misswirtschaft das Problem am Bankenmarkt ist, dann braucht es offenbar mehr Kontrollmechanismen, um diese aufzudecken und zu verhindern. Solange Banken auch nach den Abstürzen der vergangenen 15 Jahre in marktgefährdende Schieflagen kommen, müssen wir von einer Bankenkrise sprechen.

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