Die Rechnung, bitte!
Unsere Kolumnistin kommt nicht umhin, sich zu fragen, ob der Bundeskanzler weiß, dass das Geld nicht aus der Wand kommt? Bild: wabeno / Adobe Stock 
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Saskia Hödl
Kolumnistin

Die Rechnung, bitte!

Bundeskanzler Karl Nehammer ist ausgeritten, das Bargeld zu retten, das niemand abschaffen will. Klingt lustig, für seine Partei werden die Sommerlochpossen des Kanzlers aber zum Problem.


Als ich in einer der vergangenen Kolumnen gefragt habe, wie wir das in Zeiten der Teuerung in Österreich alles eigentlich noch bezahlen sollen – die ständig steigenden Mieten, die teuren Lebensmittel – da habe ich mir von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eigentlich keine Antwort erhofft. Und noch viel weniger habe ich damit gerechnet, dass er jetzt sagt: Mit Bargeld.

Während viele gerade noch darüber nachdenken, wie sie die Anhebung der Kategoriemieten von Juli stemmen sollen und der Schulstart gleichzeitig ein Loch ins Börsel brennt, ist der Kanzler nun ernsthaft ausgeritten, um das Bargeld zu retten. ___STEADY_PAYWALL___ Das ja eigentlich gar niemand abschaffen will. Gar den Verfassungsrang will er. Es sei wichtig, das Bargeld als Zahlungsmittel abzusichern, sagt er. 

Ein merkwürdiges Video

Wie ernst es Nehammer damit meint, hat er dann noch mit einem eher eigentümlichen Video auf X (Twitter) bewiesen. Da fragt er, wie der Kellner der Nation, die Zuseher*innen: „Bezahlst du Bar oder mit Karte?“ Es ist durchaus eigenartig, wenn der Bundeskanzler einer konservativen Partei in einem traditionell konservativen Land plötzlich anfängt die Menschen zu duzen, als würde er gerade ein Billy-Regal verkaufen wollen.

Eigenartig, weil es vermutlich eher nicht „die Jungen“ sind, die er mit dem Thema Bargeld ansprechen will, sondern „die Älteren“. Wie eine Befragung des Finanzministeriums 2021 zeigte, sind es vor allem die Leute über 60 und Menschen mit weniger Einkommen, denen es wichtig ist, Bargeld bei sich zu haben und damit bezahlen zu können. Vor allem im ländlichen Raum ist das ein Thema.

Da duzt man sich natürlich oft, auch wenn man sich nicht kennt. Aber den Bundeskanzler duzt doch niemand und nirgends. Er kommt also reichlich komisch rüber, wie er da steht und einem unkonventionell das Du anbietet, in seinem schwarzen Sakko mit Österreich-Pin am Revers. Krawatte trägt er keine, dafür hat er den ersten Knopf des weißen Hemds offen stehen, was er oft macht, wenn er sich „volksnah“ geben möchte.  

Stumpfe Scheindebatten statt Krisenbekämpfung

Im Video rechnet er vor, dass in Österreich jährlich 47 Milliarden Euro an Bankomaten abgehoben werden. Jeder solle leichten Zugang zu Bargeld haben, sagt er. „Denn das bedeutet Unabhängigkeit und Sicherheit“. Und wenn man ihm so zuhört, kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob der Bundeskanzler weiß, dass das Geld nicht aus der Wand kommt?

Das Ganze könnte man abtun als eine kleine, lustige Sommerlochposse. Aber es lässt eine*n eben auch etwas ratlos zurück. Ratlos, ob die ÖVP sich aus dieser Schleuderfahrt noch mal fängt. Und wenn, ja, wo sie dann eigentlich hinwill? Allein der FPÖ die stramm rechten, leeren Themen nachzujaulen, wird nicht reichen für die nächste Wahl – sofern man der Ankündigung, die ÖVP werde nicht mit Kickl koalieren, Glauben schenken mag. 

Eines der größten Probleme der ÖVP ist derzeit der amtierende Bundeskanzler selbst. Denn der scheint in seinem Auftreten in keiner Weise empfänglich für die aktuellen Krisen in diesem Land – und es gäbe da derzeit schon einige aus denen man wählen könnte: Klimawandel, Krieg, Korruption. Stattdessen gibt es hohle Freiheitsdebatten um Bankomaten, Autofahren und Schnitzel. Wenn die Partei nicht aufhört, diese stumpfen Scheindebatten zu führen, wird sie bei der kommenden Nationalratswahl die Rechnung dafür präsentiert bekommen – ganz egal ob in Bar oder mit Karte.

Autor*in: Saskia Hödl

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