Was Jungmitglieder über die SPÖ denken
Unter den Jungmitgliedern, die tag eins gesprochen hat, ist der linke Mann beliebter. TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com
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Was Jungmitglieder über die SPÖ denken

Am Samstag endet die monatelange Wahl zum SPÖ-Vorsitz. Für die Mitgliederbefragung sind über 9.000 Menschen Parteimitglied geworden, bei der Entscheidung am Parteitag sind sie aber außen vor. tag eins hat drei Neumitglieder gefragt, wie sie die Wahl erleben.

Ein demokratiepolitischer Meilenstein ist es für die einen, ein Kasperltheater für die anderen: die aktuelle Wahl zum SPÖ-Vorsitz. Vor der Mitgliederbefragung traten innerhalb weniger Tag über 9.000 Menschen in die Sozialdemokratische Partei Österreichs ein. Die Neumitglieder machen rund sieben Prozent der jetzt insgesamt 140.000 Parteimitglieder aus. Angezogen wurden sie mutmaßlich durch das Versprechen, über den neuen Vorsitzenden oder die neue Vorsitzende und damit auch über die künftige Richtung der SPÖ mitentscheiden zu dürfen.

Anders als ursprünglich kommuniziert, werden aber nun nicht die Mitglieder, sondern der Parteitag am 3.Juni die Entscheidung treffen. Die einfachen Mitglieder spielen dort in Linz keine Rolle mehr, denn stimmberechtigt sind nur die 609 Delegierten. Nominiert werden diese von den Gremien der Partei: Vorstand, Landes- und Bezirksorganisationen, Gewerkschaften, Parlamentsfraktion und befreundete Organisationen. Jungmitglieder sind sicher nicht unter ihnen – die Delegierten gehören eher zur Kategorie "Alte Hasen".

Wie blicken die Neumitglieder also auf den Parteitag und auf ihre eigene Zukunft in der SPÖ?

Markus Finster, Unternehmer

Ich war von 2009 bis 2011 Wiener Bezirksrat für die Grünen. Nun bin ich der SPÖ beigetreten und habe bei der Mitgliederbefragung für Andreas Babler gestimmt, weil er mich mit seiner Art und seinen Themen beeindruckt. Ich mag's, dass er seine Meinung vertritt und für seine Position wirbt, anstatt auf Umfragen zu schielen und das zu sagen, was die Leute wohl gerne hören möchten.

Die Spitzen der Partei kenne ich ja nicht, aber ich sehe teilweise eine Riesenkluft zwischen den beiden Ebenen – man kann kaum glauben, dass die in der gleichen Partei sind. Ideale findet man eher "unten".

___STEADY_PAYWALL___Ich kenne viele sehr engagierte SPÖ-Mitglieder, die ob der Performance der Partei verzweifelt oder enttäuscht sind. Die Spitzen der Partei kenne ich ja nicht, aber ich sehe teilweise eine Riesenkluft zwischen den beiden Ebenen – man kann kaum glauben, dass die in der gleichen Partei sind. Ideale findet man eher "unten".

Bleibe ich dabei? Nur wenn es Babler wird, denke ich. Dosko vertritt meine Werte nicht. Dann kann die SPÖ meinen Jahresbeitrag für 2023 behalten, aber ich werde nicht in Zukunft die dritte Rechtspartei des Landes mit meiner Mitgliedschaft unterstützen.


Martina K., 54 Jahre alt, Lehrerin

Martina K. möchte aus beruflichen Gründen anonym bleiben, Name ist der Redaktion bekannt.
 
Mein jugendliches Ich hat sehr über mich gelacht, als ich SPÖ-Mitglied geworden bin. Aber ich habe gedacht, ich kann jetzt etwas zur Verbesserung der politischen Situation beitragen. Mein Vater hat jahrelang bei jeder Wahl „diesmal wirklich zum letzten Mal“ die SPÖ gewählt. Er war Sozialdemokrat, und schon sein Großvater saß während der Zwischenkriegszeit als sozialdemokratischer Gewerkschafter im Gefängnis.

Ich bin alt genug, um viele Skandale miterlebt zu haben – AKH, Noricum, Lucona. Lange hätte ich keiner Partei beitreten können. Ich stehe politisch links der SPÖ und finde Parteistrukturen meistens unmöglich. Ich habe von den Reformen der Kreisky-Zeit profitiert, habe aber auch mitbekommen, wie sich Politik durch das Erstarren von Machtstrukturen in eine problematische Richtung entwickeln kann.

Ich habe sehr geschätzt, wie Bernie Sanders in den USA eine Diskursverschiebung zuwege gebracht hat. Babler macht etwas ähnliches.

Ich habe natürlich für Andi Babler gestimmt. Ich finde nicht alles gut, was er macht, teile aber sein Anliegen: ein Leben in Würde für alle. Ich wurde in den 1980er-Jahren politisch sozialisiert, als der Neoliberalismus aufkam. Dem wurde damals medial und diskursiv nur wenig entgegengesetzt. Ich habe sehr geschätzt, wie Bernie Sanders in den USA eine Diskursverschiebung zuwege gebracht hat. Babler macht etwas ähnliches. Und er arbeitet ganz stark auf der sachpolitischen Ebene: Er macht die Dinge einfach und zeigt so, dass es geht. Das schätze ich sehr.

Dass jetzt in der SPÖ der Streit um Macht im Vordergrund zu stehen scheint, finde ich schade, aber es überrascht mich nicht und trifft mich nicht so, wie jene, die schon länger bei der Partei sind. Ich bin eingetreten, weil ich glaube, dass jetzt eine positive Veränderung zu mehr Solidarität möglich ist – und mit der Wahl Doskozils ein Verfestigen der SPÖ rechts der Mitte droht und damit noch mehr Spaltung und Unrecht entsteht. Das möchte ich verhindern. Wenn er Parteivorsitzender wird, werde ich wieder austreten – denn ich unterstütze kein unsoziales und destruktives Verhalten, etwa seinen Umgang mit Kindern in Moria oder mit der Parteivorsitzenden.


Christoph Rohrböck, 38 Jahre alt, Software-Entwickler

Portrai Christoph Rohrböck
Christoph Rohrböck: "Ein knappes Ergebnis habe ich erwartet, aber dass es dermaßen uneindeutig wird, hat mich dann schon überrascht." Bild: privat

Ich beobachte die politische Entwicklung in Österreich schon länger mit Sorge. Ich war immer schon stark links orientiert und SPÖ-affin. Von einem Beitritt abgehalten hat mich aber immer, dass die politische Führung der SPÖ so stark abgekoppelt von der Basis ist. Der Aufruf zur Mitgliederbefragung war für mich eine Gelegenheit, das aufzuweichen und in der Partei mitzuwirken. Die Entscheidung, Mitglied zu werden, habe ich sehr schnell gefällt, aber als cool-down-time habe ich noch ein, zwei Tage gewartet, bis ich das Formular abgeschickt habe.

Die schlechte Einbindung der Basis ist die große Schwäche der Partei. Das hat man vor der Abstimmung bemerkt: Niemandem war auch nur ansatzweise klar, in welche Richtung die Basis überhaupt tendiert.

Die schlechte Einbindung der Basis ist die große Schwäche der Partei. Das hat man vor der Abstimmung bemerkt: Niemandem war auch nur ansatzweise klar, in welche Richtung die Basis überhaupt tendiert. Einfach weil sich niemand je dafür interessiert hat.

Ich habe für Andreas Babler gestimmt, weil ich mit ihm politisch am meisten übereinstimme und die anderen Kandidaten für mich keine sinnvollen Alternativen waren. Ein knappes Ergebnis habe ich erwartet, aber dass es dermaßen uneindeutig wird, hat mich dann schon überrascht.

Meiner Meinung nach wäre eine Stichwahl das Vernünftigste gewesen, um die neue Führung wirklich zu legitimieren und die Partei zu demokratisieren – was ja die Intention der Mitgliederbefragung war. Jetzt wirkt es wieder so, als würden es sich die da oben wieder ausmachen, um es mal salopp zu formulieren.

Obwohl ich in Niederösterreich wohne, bin ich der Sektion 8 in Wien beigetreten. Dort bin ich recht zufrieden. Ich war schon bei einigen Parteiveranstaltungen, habe schnell Gefallen an den anderen Mitgliedern gefunden und fühle mich sehr wohl.

Was mir auffällt, sind die groben Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken und zwischen Wien und Niederösterreich – je nachdem, wo man ist, ist man in einer anderen SPÖ.

Nach heutigem Stand werde ich Mitglied bleiben, egal wer Parteivorsitzender wird. Zumindest sofern die neue Parteiführung keine politischen Stunts fährt und nicht ganz, ganz grob gegen meine Überzeug arbeitet. Für mich ist es der richtige Zeitpunkt, mich zu engagieren, denn die politische Entwicklung in Österreich macht mir keine Freude.

Protokolle: Markus Sulzbacher, Anna Mayrhauser und Dominik Ritter-Wurnig

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