„Was kann ich alleine schon bewirken?“
Hanna Allein-Da und ihr Kollege Hans Solo fühlen sich klein und unwirksam angesichts der Klimakrise. Bild: Annechien Hoeben, klimapsychologie.com 
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Thomas Brudermann
Kolumnist

„Was kann ich alleine schon bewirken?“

Klimaschutz ist eh irgendwie gut. Darauf können sich die meisten Menschen einigen. Trotzdem flüchten sich viele in Ausreden, wenn es um konkreten Klimaschutz geht. Der Psychologe Thomas Brudermann nimmt diese Ausreden in unserer Serie unter die Lupe. Heute: Hans Solo und Hanna Allein-Da. 


Was soll ich als kleiner Bürger oder kleine Bürgerin schon ausrichten? Mein Beitrag ist klein. Schuld sind die Reichen, die Politik oder – noch besser – das System. 

Nicht wenige Menschen haben verstanden, dass der menschengemachte Klimawandel zivilisationsbedrohende Ausmaße annimmt und ambitionierte Maßnahmen zu seiner Bekämpfung notwendig werden – inklusive Änderungen kollektiv gelebter Konsumpraktiken. ___STEADY_PAYWALL___ Die Diskussion über Lebensstile legt aber gerade bei jenen Menschen einen Finger in die Wunde, die sich trotz Problembewusstsein mit Verhaltensänderungen schwertun. „Das Flugzeug fliegt auch ohne mich“ sagen sie verteidigend. Oder: „Das Rind ist ja schon tot und zum Steak geworden.“ Und natürlich auch: „Wir leben eben in einem fossilen System. Daran kann ich nichts ändern.“

Das böse System ist am Ende also doch für etwas gut: Es erspart die schmerzhafte Auseinandersetzung mit der eigenen Klimawirkung, und in weiterer Folge auch die anstrengenden Verhaltensänderungen. Man muss sich nicht einmal schlecht fühlen. Solange das System so ist wie es ist, sind Einzelbemühungen nun mal völlig sinnlos, hört man von Hans Solo und Hanna Allein-Da. Sie fühlen sich klein und unwirksam. Dieses Gefühl ist einerseits Gift für die Motivation, andererseits aber auch eine hervorragende Ausrede, um im eigenen Status quo zu verharren. 

Bestehende Systeme sind zwar träge, aber nicht statisch

Natürlich ist eine Mammutaufgabe wie die Klimarettung eine ziemlich große Bürde für die Einzelperson und bei ihr nicht gut aufgehoben. Die gerade von Seiten der Ölkonzerne gerne betriebene Individualisierung von Schuld („Die Konsument*innen wollen es ja nicht anders!“) verzögert daher effektiven Klimaschutz. Aber: Dem System die Schuld zu geben – also sich auf kollektiv gelebte Strukturen rauszureden und jegliche Mitverantwortung abzulehnen – verzögert Klimaschutzbemühungen ebenfalls. 

Wo ist der Ausweg für die vielen Menschen, die sich wie ein Hans Solo oder eine Hanna Allein-Da fühlen? Ein möglicher erster Schritt liegt im Erkennen, dass man mit seinen Klimasorgen gar nicht so alleine ist. Und ein möglicher zweiter Schritt liegt in der Erkenntnis, dass bestehende Systeme zwar träge, aber nicht statisch sind. Sie sind das Ergebnis individueller und kollektiver Entscheidungen. Hier setzt auch das Konzept des ökologischen Handabdrucks an. Es geht nicht nur darum, seine eigene Klimawirkung zu verbessern, sondern dabei auch noch andere Menschen mitzunehmen: Das Problem Klimawandel also gemeinsam anzugehen – im Kleinen wie im Großen.

Die wichtigen politischen Entscheidungen können nur gemeinsam eingefordert und angestoßen werden.  

So mag im Kleinen zwar das Verspeisen eines Rohkostkarottengerichts in der unbeheizten Wohnung eine klimafreundliche Entscheidung sein – motivierend wirkt eine solche Idee auf die meisten aber wohl nicht. Im Freundeskreis eine gemeinsam geplante Abenteuerreise in die weite Welt der veganen Küche zu veranstalten, mit wechselnden Gastgeber*innen und immer neuen Rezepten, wirkt da schon ansprechender. Und auch im Großen zählt die Gemeinsamkeit: Die wichtigen politischen Entscheidungen können nur gemeinsam eingefordert und angestoßen werden.  

Der individuell klimafreundliche Lebensstil ist nichtsdestotrotz ein relevanter Beitrag um bestehende Muster aufzubrechen. Sich für Klimaschutz auszusprechen, dem aber keine Taten im eigenen Lebensbereich folgen zu lassen, wirkt nicht besonders glaubwürdig. Für Hans und Hanna stellt sich also die Frage: Was können unsere Beiträge sein – und wie können wir andere dabei mitnehmen? 

Diese Aussicht ist freilich nicht ganz so bequem wie das Zurücklehnen, Warten und Rausreden auf das fossile System. Zumindest aber bietet sie uns eine positive Perspektive: An die Stelle von individuellen Schuldgefühlen treten dann nicht die bequemen Ausreden, sondern die bewusst wahrgenommene gemeinsame Verantwortung für eine globale Herausforderung. 

Thomas Brudermann ist Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz. Sein Buch „Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben“ ist 2022 erschienen.
Autor*in: Thomas Brudermann

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