Die Regierung hat keine Antwort auf die Teuerung
Die Inflation spüren viele im Supermarkt am stärksten. Bild: Shooting Star Std / Generiert mit KI / Adobe Stock
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Elisabeth Oberndorfer
Kolumnistin

Die Regierung hat keine Antwort auf die Teuerung


Die Inflationsrate in Österreich liegt noch immer über dem EU-Schnitt. Die Politik tut wenig dagegen, jetzt suchen Bürger*innen selbst nach Lösungen.

Die Teuerung ist ein emotionales Thema – und auch, wenn die Inflationsrate seit einigen Monaten zumindest nicht mehr zweistellig ist, fühlt es sich noch immer so an. Die gefühlte Inflation in Österreich lag laut einer Analyse der Kreditversicherer Acredia und Allianz Trade im zweiten Quartal 2023 bei 19,5 Prozent. Das ist fast doppelt so hoch wie auf dem Papier.

Wieso nehmen wir die steigenden Preise als so viel schlimmer wahr, als sie in der Realität sind? Die Studienautor*innen begründen das Phänomen damit, dass wir bei Waren, die wir häufig einkaufen, stärker auf den Preis achten. Dazu zählen etwa Lebensmittel oder Kraftstoff – also Produktkategorien, die besonders von der Teuerung betroffen sind. So kommt es zu einer verzerrten Wahrnehmung.

Hobbyprojekte gegen die Teuerung

Die Inflationsrate in Österreich liegt über dem EU-Schnitt, das Handeln der Politik ist also gefordert. Die Regierung kündigte schon im Mai an, Maßnahmen für mehr Preistransparenz zu treffen. Viel passiert ist bisher allerdings nicht.

Währenddessen diskutieren nicht nur am Stammtisch, sondern auch in Online-Foren Bürger*innen über kaum nachvollziehbare Preissteigerungen. So fragten sich User*innen des Reddit-Forums /Austria, warum ausgewählte Ikea-Möbel in Deutschland weniger kosten als in Österreich. Aus dieser Diskussion entstand im Juni die Plattform Schweden-Tracker.at.

Das ist nicht das einzige Hobbyprojekt gegen die Teuerung: Nachdem Wirtschaftsminister Martin Kocher eine Seite zum Vergleichen von Lebensmittelpreisen in den unterschiedlichen Supermärkten ankündigte, ließen sich mehrere Entwickler*innen inspirieren und bauten solche Suchmaschinen selbst.

Der Minister gab sich bisher wenig beeindruckt von den privaten Initiativen. So sagte er im Interview mit Ö1: „Das ist keine große Schwierigkeit, die zu erstellen. Es braucht eine Lösung mit Transparenz, die aber nicht nur auf das billigste Produkt hinweist.“ Im Gegensatz dazu haben die Preisvergleichsseiten schon das Interesse der Bundeswettbewerbsbehörde geweckt. Diese stellte vergangene Woche Anfragen an sieben Betreiber*innen, um zu erfahren, wie diese Plattformen funktionieren. Einer von ihnen, Mario Zechner, schrieb auf Twitter dazu: „Spannend, dass sie so klingen, als wären sie überrascht, dass manche von uns das nicht kommerziell machen.“

Innovation anerkennen statt Millionenbeträge ausgeben

Der staatliche Preismonitor von Minister Kocher soll im Herbst kommen. Das hieße auch, dass Bürger*innen noch mindestens drei Monate darauf vertrauen müssen, dass der Handel nicht Preispolitik auf Basis der sogenannten Gierflation betreibt. Darunter versteht man das Antreiben der Preise durch die Profitgier der Händler.

Die Bundeswettbewerbsbehörde untersucht bis Herbst den Lebensmittelsektor. Mittlerweile hat sich auch Marcel Haraszti, Chef der Rewe Österreich, zur Kritik geäußert: Preissenkungen gebe der Handelskonzern sehr wohl weiter. Der Betreiber der Plattform teuerungsportal.at schreibt auf Reddit, dass auf unterschiedlichen Vergleichsportalen gleiche Entwicklungen beobachtet werden können: Dass Rewe teilweise Preise nach einem vermeintlichen Sparangebot erhöht.

Prognosen zufolge bleibt die Inflation weiter auf hohem Niveau, die Österreichische Nationalbank erwartet eine Rate von 7,4 Prozent für das Gesamtjahr 2023. Statt die privaten Initiativen zu diskreditieren, sollte das Wirtschaftsministerium dieses Engagement nutzen und die Vergleichsseiten – natürlich nach einer Prüfung – wenn möglich als offizielle Preisdatenbanken anerkennen. Das würde den Bürger*innen rasch die Möglichkeit geben, den Lebensmitteleinkauf besser zu planen und zu optimieren.

Und auch der Staat (und damit natürlich auch die Bürger*innen) würde sich die Kosten für die Entwicklung einer eigenen Vergleichsplattform sparen. Wie die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, gibt die Regierung für Digitalprojekte schon mal einen Millionenbetrag aus.

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