Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
Am Sonntag, dem 2. November, jährt sich der islamistische Terroranschlag in der Wiener Innenstadt zum fünften Mal. Vier Menschen sterben, mehr als zwanzig werden verletzt. Der Täter wird noch in der Tatnacht von der Polizei erschossen.
Schon kurz nach dem Anschlag wurde klar: Der Attentäter ist ein polizeibekannter, einschlägig vorbestrafter Islamist. Bereits im Juli 2020, gut drei Monate vor dem Anschlag, trifft er sich in Wien mit mehreren Islamisten aus Deutschland und der Schweiz. Am 21. Juli beobachtet der österreichische Verfassungsschutz das Treffen der Gruppe.
Einen Tag später fährt er nach Bratislava, um Munition zu kaufen.
Der Verkäufer dort erkennt die Gefahr: Er verweigert den Verkauf, meldet den Vorfall den slowakischen Behörden. Diese informieren Europol und den österreichischen Verfassungsschutz – liefern Überwachungsbilder und das Kennzeichen des Autos, mit dem der junge Mann unterwegs war.
Dann passiert einen Monat lang nichts.
Erst am 26. August – über einen Monat später – nimmt der österreichische Verfassungsschutz Kontakt mit Bratislava auf, schickt Fotos des Mannes. Weitere Wochen verstreichen. Am 16. Oktober bestätigen die slowakischen Behörden schließlich: Ja, dieser Mann wollte Munition kaufen.
Da sind es nur noch gut zwei Wochen bis zum Anschlag.
Intern schätzen die Sicherheitsbehörden die Gefahr noch am 11.September, also zwei Monate vor dem Anschlag, als „moderat“ ein. Erst am 7. Oktober, also vier Wochen vor der Tat, stufen sie das Risiko auf die niedrigste Kategorie eines „hohen“ Gefährdungsgrads herauf. Die Beamten sahen jedoch keinen „akuten Handlungsbedarf“.
Das alles weiß man, da eine unabhängige Untersuchungskommission gute Arbeit gemacht hat und drei Berichte dazu veröffentlicht hat, in denen schwere Versäumnisse und eklatante Mängel seitens des Verfassungsschutzes verortet wurden.
Neben den Endbericht (Öffnet in neuem Fenster), gab es auch zwei Zwischenberichte – einem Jusitzteil (Öffnet in neuem Fenster) und einen Innenministeriumsteil – der dokumentiert ausführlich die Untätigkeit und Ungereimtheiten im Vorfeld des Anschlags. Dieser Bericht steht nicht mehr zum Download bereit – er ist auf Homepage des Innenministeriums verschwunden.
Später hat sich auch die Volksanwaltschaft das Attentat angeschaut und ebenfalls einen Bericht (Öffnet in neuem Fenster) verfasst.
Wenn Sie den verschwundenen Zwischenbericht haben wollen, schicken Sie mir ein Mail an markus.sulzbacher@krautreporter.de (Öffnet in neuem Fenster).

Heute geht es um Donald Trump, die Wahlen in den Niederlanden und um Aktivismus.

42 Anklagen gegen Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“
Die Wiener Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen 42 frühere Mitglieder der Klimagruppe „Letzte Generation“ erhoben. Der Vorwurf: Sachbeschädigung und schwere Sachbeschädigung. Der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung hat sich nicht bestätigt, schreibt der ORF (Öffnet in neuem Fenster).
40 Aktivistinnen und Aktivisten sollen schwere Sachbeschädigung begangen haben, zwei einfache Sachbeschädigung. Ein Hauptbeschuldigter muss sich zudem wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung verantworten – er soll bei einer Aktion 2023 in St. Pölten einen Polizisten verletzt haben.
Im Strafantrag werden auch Farbaktionen an Gebäuden und Proteste am Flughafen Wien-Schwechat aufgelistet. Insgesamt steht ein Großprozess mit Dutzenden Angeklagten, Zeug*innen und Verteidiger*innen bevor.
Marina Hagen-Canaval, frühere Sprecherin der “Letzten Generation”, nennt das Verfahren „eine Farce“ und spricht von Einschüchterung zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Verteidigung kritisiert „maßlos überzogene Vorwürfe“ und fordert einen sachlichen Prozess.
Die Ermittlungen laufen seit Ende 2023, nachdem sich Aktivist*innen bei Straßenblockaden mit einer Sand-Kleber-Mischung auf Fahrbahnen fixiert hatten – Aktionen, die damals heftige politische Reaktionen auslösten.

Wahl in den Niederlanden: Sieg der Mitte – aber das Land bleibt rechts
In den Niederlanden hat der linksliberale Politiker Rob Jetten überraschend den Rechtspopulisten Geert Wilders überholt. Seine Partei Democraten 66 kommt laut Prognosen auf 27 Sitze, während Wilders’ PVV (Partei für die Freiheit) auf 25 abstürzte. Jetten sprach von einem „Sieg über den Hass“ und einem „Abschied von politischer Negativität“, nachzulesen bei Zeit Online (Öffnet in neuem Fenster) und dem RND (Öffnet in neuem Fenster).
Doch eine klare politische Wende bedeutet das Ergebnis nicht. Zwar feiert Jetten mit 38 Jahren den größten Erfolg seiner Karriere – doch die Niederlande bleiben mehrheitlich rechts. Fast alle großen Parteien haben in den vergangenen Jahren ihre Positionen in Asyl-, Migrations- und Sicherheitsfragen verschärft. Auch für Jetten wird es schwer werden, eine stabile Koalition zu bilden: Nach dem Scheitern der Viererregierung unter Wilders stehen dem Land monatelange Verhandlungen bevor.
Wilders islamfeindliche Partei bleibt die zweitgrößte Fraktion und will als Oppositionsführer weitermachen; 2023 war die PVV noch stärkste Kraft geworden. „Ihr seid mich noch lange nicht los“, sagte er am Wahlabend. Beobachter sprechen von einer Ermüdung der Wählerinnen und Wähler nach Jahren des politischen Chaos, aber nicht von einem Kurswechsel – oder, wie es laut RND (Öffnet in neuem Fenster) der Moderator einer Wahlsendung formulierte: „Die Niederlande sind rechts.“

Trump kündigt neue Atomtests an
US-Präsident Donald Trump hat überraschend den „sofortigen Beginn“ neuer Atomwaffentests angekündigt. Auf seiner Plattform Truth Social erklärte er, andere Länder testeten ebenfalls – daher müsse Amerika „auf gleicher Basis“ handeln. „Ich habe es gehasst, das zu tun, aber ich hatte keine Wahl“, schrieb Trump.
Welche Waffen getestet werden sollen, blieb unklar. Die Ankündigung erfolgte kurz vor einem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping in Südkorea. Fragen dazu beantwortete Trump nicht.
Experten reagierten alarmiert. „Es wäre ein Geschenk für Russland und China“, warnte der frühere US-Sicherheitsberater Gary Samore im Wall Street Journal (Öffnet in neuem Fenster). Seit 1998 hat außer Nordkorea kein Land mehr Atomtests durchgeführt.
Der letzte US-Test fand 1992 in Nevada statt, seither gilt ein Moratorium. Sollte Trump seine Drohung umsetzen, wäre es der erste Atomtest seit über 30 Jahren – mit unabsehbaren Folgen für die globale Rüstungskontrolle.
Im Kongress regt sich Widerstand: „Absolut nicht“, schrieb die demokratische Abgeordnete Dina Titus aus Nevada auf X.
Trumps Ankündigung kommt wenige Tage, nachdem Russland eine neue atomare Langstreckenrakete getestet hatte. Der letzte große Abrüstungsvertrag, New Start, läuft 2026 aus – eine Verlängerung ist nicht in Sicht.
Laut der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons besitzt Russland derzeit mit rund 5.500 Sprengköpfen das größte Atomarsenal, gefolgt von den USA mit etwa 5.000. UNO-Expertin Izumi Nakamitsu warnt: Das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes sei so hoch wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

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Journalismus und Pressefreiheit sind kostbar
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Wie gut deren Arbeit ist, zeigt das Südwind-Magazin mit diesem Artikel.
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Warum die Krankenkasse deine Brille nicht bezahlt.
Und in welchen Fällen du doch einen Zuschuss bekommst.
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