Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
Gestern hat mein Kollege Dominik an dieser Stelle angesprochen, dass die Berichterstattung rund um den Fall der 55-jährigen Frau, die nach einem Aorteneinriss im Krankenhaus Rohrbach in Oberösterreich verstorben ist und der zu spät ein Bett in einer Spezialklinik zugesagt wurde, in der Kronen Zeitung nach Kampagnenjournalismus riecht.
Kurz danach erschien (Öffnet in neuem Fenster) auch in den Oberösterreichischen Nachrichten ein Kommentar, das darauf hinweist, dass zwei Todesfälle, die in diesem Zusammenhang in den Boulevardmedien gemeinsam genannt wurden, nicht wirklich vergleichbar sind. Genauer hinschauen lohnt sich wohl trotzdem. Aber eben: wirklich genau.

Außerdem geht es heute um den Hurrikan „Melissa“, die aktuellen Entwicklungen in Israel und Gaza und erneute Missbrauchsvorwürfe gegen SOS-Kinderdorf.

Jamaika im Ausnahmezustand nach Hurrikan „Melissa”
Hurrikan „Melissa“, einer der stärksten Stürme, die je im Atlantik gemessen wurden, traf Jamaika am Dienstagmittag Ortszeit (Öffnet in neuem Fenster)als Kategorie-5-Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h und bewegte sich dann quälend langsam über das Land hinweg. Gestern gab es bereits Berichte (Öffnet in neuem Fenster) über abgedeckte Dächer, weggerissene Strommasten, überschwemmte Straßen und ganze Landstriche „unter Wasser“, etwa Parish St. Elizabeth im Südwesten des Landes.
Ausfälle im Stromnetz und umgestürzte Leitungen haben die Kommunikation in weiten Teilen der Insel lahmgelegt (Öffnet in neuem Fenster). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung war zeitweise ohne Strom, Hunderttausende sitzen weiter im Dunkeln, teils ohne Mobilfunk oder Internet.
Die Regierung meldete (Öffnet in neuem Fenster)gestern rund 15.000 Menschen in Notunterkünften. Jamaikas Katastrophenschutz sprach CNN zufolge von „einer der schlimmsten Phasen“ für das Land und warnte, dass die nächste Herausforderung erst beginne: Aufräumen und Wiederaufbau bei weggeschwemmten Straßen, zerstörter Versorgung und massiv beschädigter Landwirtschaft.
Vor allem das Gesundheitssystem wurde hart getroffen: Krankenhäuser meldeten Überflutungen, Evakuierungen unter Notbedingungen und drohende Ausfälle der Versorgung. Offiziell gibt es noch keine bestätigten Todesopfer, die Regierung rechnet (Öffnet in neuem Fenster) aber mit Todesopfern.
„Melissa“ hat sich nach Stunden über Land von Kategorie 5 zunächst auf Kategorie 4 und später Kategorie 3 abgeschwächt, bleibt aber gefährlich. Der Sturm zieht weiter in Richtung Kuba. Dort wurden Hunderttausende evakuiert, teils ganze Orte, Bewohner*innen in Busse gesetzt und in Universitäten oder Schulen in Sicherheit gebracht– die Behörden dort betonten (Öffnet in neuem Fenster), die Evakuierungen seien notfalls zwingend: Wer in einem Hochrisikogebiet bleibe, werde rausgeholt, ob er wolle oder nicht. Der Weg des Sturmes durch die Karibik kann hier (Öffnet in neuem Fenster) live über Satellitenaufnahmen mitverfolgt werden. (Johanna Hänsel, aktualisiert von Anna Mayrhauser)

Waffenruhe in Gefahr: Israel bombardiert Gaza
Knapp drei Wochen nach Beginn der US-vermittelten Waffenruhe hat Israels Armee am Dienstag neue Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen. Premierminister Benjamin Netanjahu ordnete „intensive“ und „unmittelbare“ Schläge an, nachdem Israel der Hamas vorgeworfen hatte, das Abkommen verletzt und die Rückgabe einer Geisel-Leiche inszeniert zu haben (Öffnet in neuem Fenster). Die israelische Armee veröffentlichte ein Video, das zeigen soll, wie Hamas-Kämpfer eine Leiche zunächst vergraben und dann vor Vertretern des Roten Kreuzes wieder ausgraben – um, so Israels Darstellung, einen Fund zu fingieren.
Nach Angaben aus Jerusalem hatten bewaffnete Palästinenser israelische Soldaten bei Rafah mit einer Panzerfaust und Scharfschützen angegriffen. Verteidigungsminister Israel Katz drohtedem RND (Öffnet in neuem Fenster) zufolge der Hamas mit einem „hohen Preis“ für die „Verletzung der roten Linie“. Laut palästinensischen Angaben wurden bei den Luftangriffen mehrere Menschen getötet (Öffnet in neuem Fenster).
Die Hamas bestritt, für den Angriff verantwortlich zu sein, und kündigte an, die Übergabe weiterer Leichen der Geiseln wegen der „israelischen Verstöße“ zu verschieben. Die US-Regierung betonte (Öffnet in neuem Fenster), die Waffenruhe sei prinzipiell intakt, warnt aber zugleich vor einer umfassenden Eskalation, sollte Israel oder die Hamas das Abkommen offensichtlich brechen. Seit Beginn der Waffenruhe am 10. Oktober sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bereits mehr als 90 Palästinenser getötet (Öffnet in neuem Fenster) worden.
Beide Seiten testen im Moment aus, wie weit sie innerhalb der Waffenruhe gehen können, sagen (Öffnet in neuem Fenster)Beobachter*innen. Israel kündigte heute an, sich wieder an die Waffenruhe zu halten. (Johanna Hänsel, aktualisiert von Anna Mayrhauser)

Neue Vorwürfe gegen SOS-Kinderdorf
Im September berichtete der Falter über Missbrauch und Gewalt an Kindern im SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten. Seitdem wurden viele weitere Fälle an unterschiedlichen Standorten bekannt, das volle Ausmaß des systematischen und jahrzehntelangen Missbrauchs zeigt sich erst nach und nach. Anfang Oktober wurde der langjährige Geschäftsführer Christian Moser vom Aufsichtsrat freigestellt. Letzte Woche machte die Organisation selbst öffentlich, dass der 1986 verstorbene Gründer Hermann Gmeiner an acht Buben „sexuelle Gewalt und Missbrauch“ ausgeübt haben soll. Intern waren die Vorwürfe schon seit 2013 bekannt.
Nun berichtet (Öffnet in neuem Fenster) der Falter erneut über Missbrauch und Gewalt bei SOS-Kinderdorf International. Im SOS-Kinderdorf in Nepal soll (Öffnet in neuem Fenster) ein ebenfalls mittlerweile verstorbener, in Österreich lebender Großspender mehrere Kinder missbraucht haben, unter Mitwissen und Billigung der österreichischen Leitung. Ex-Präsident Helmut Kutin, 2024 verstorben, habe dem Großspender trotz geltenden Besuchsverbots drei Nächte in einem Trainingslager von SOS-Kinderdorf in Nepal zugesagt, außerdem habe ein Jugendlicher aus Nepal mehrere Wochen in der Villa des Großspenders in Österreich verbracht. Mitarbeiter*innen von SOS-Kinderdorf haben den Besuch ermöglicht und unterstützt. Auch Moser habe Bescheid gewusst. 2021 wird der Spender angezeigt, zwischen 2010 und 2014 soll er immer wieder nach Nepal gereist sein.
Eine 2021 beauftragte Kommission unter der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, die die Vorwürfe untersuchte, ergab, dass Führungspersonen seit 2015 von den Vorfällen in Nepal gewusst haben. Dabei hätte es sich aber nicht um Kutin und Moser gehandelt, sondern einen dritten Herrn, der gekündigt worden sei. Es habe damals keine Hinweise auf eine Mitwisserschaft von Kutin und Moser gegeben, sie habe sich auf Kutins Worte verlassen müssen, sagte Klasnic im Morgenjournal auf Ö1.
(Öffnet in neuem Fenster)Ein neuer Fall wurde auch im oberösterreichischen Altmünster am Traunsee bekannt. Die Standort-Leitung wurde vorübergehend freigestellt und eine interne Prüfung eingeleitet. Ein ehemaliger Bewohner erhebt (Öffnet in neuem Fenster) schwere Vorwürfe. Als Kleinkind kam er Ende der 1970er-Jahre ins Kinderdorf, er berichtet von systematischer Gewalt sowie Verharmlosung und Vertuschung von sexualisierter Gewalt während seiner Kindheit und Jugend in den 1980er- und 1990er-Jahren. Auch weitere Betroffene meldeten sich. In den Oberösterreichischen Nachrichten berichtete (Öffnet in neuem Fenster) bereits Anfang Oktober eine ehemalige Bewohnerin des SOS-Kinderdorfs in Altmünster von Gewalt gegen Kinder.
SOS-Kinderdorf verspricht einen vollständigen Neustart und eine umfassende Aufklärung. Eine Reformkommission unter der Leitung der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss arbeitet seit Anfang Oktober an der Aufarbeitung

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

„Muss eine Universität das nicht aushalten?“
Bahar Sayed ist Autistin und streitet seit Jahren um Barrierefreiheit an der Filmakademie in Wien, mittlerweile hat sie ihr Studium dort abgeschlossen.
Die Journalistin Sandra Schmidhofer zeichnet für das Magazin andererseits ausführlich nach, wie der Konflikt zwischen der Studentin und der Uni eskalierte. Ein Mitarbeiter des Referats für Barriere-Freiheit der Österreichischen Hochschüler*innenschaft spricht von „institutionellem Versagen auf allen Ebenen“.
https://www.andererseits.org/muss-eine-universitaet-das-nicht-aushalten/ (Öffnet in neuem Fenster)
Anmerkungen zum Älterwerden
Warum Altern nicht weiser macht, nur dümmer und hässlicher. Und warum es sich trotzdem lohnt, so lange wie möglich am Leben zu bleiben.
https://krautreporter.de/psyche-und-gesundheit/6109-27-anmerkungen-zum-alterwerden (Öffnet in neuem Fenster)
Klima-Kipppunkte, verständlich erklärt
Die New York Times (Öffnet in neuem Fenster) hat in einer Serie sehr gut verständlicher Grafiken zusammengetragen, was die Forschung über die sogenannten „Tipping Points“ weiß, also welche Prozesse im Erdsystem sich womöglich schon unwiderruflich verschieben – vom Abschmelzen des grönländischen Eises bis zum Kollaps der atlantischen Meeresströmung.
https://www.nytimes.com/interactive/2024/08/11/climate/earth-warming-climate-tipping-points.html?utm_source=Krautreporter+Newsletter&utm_campaign=b1c439946e-jamaika-kampft-mit-den-folgen-von-hurrikan-melissa&utm_medium=email&utm_term=0_9ed711293a-b1c439946e-219728677%EF%BF%BC (Öffnet in neuem Fenster)Einen schönen Mittwoch wünscht:
Anna