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Warum der Chef des Staatsschutzes hinwirft

Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!

Seit Wochen arbeite ich an einer größeren Recherche – doch seit gestern ist alles anders. Der Chef des Verfassungsschutzes ist zurückgetreten, Teile meiner Arbeit muss ich nun verwerfen bzw. umschreiben. Mehr will ich jetzt nicht dazu verraten. :-)

Jedenfalls wirft der Rückzug des Leiters der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, auch Fragen auf. Einige spreche ich heute im Newsletter an.

Sonst geht es um den ehemaligen Verfassungsschutz-Agenten Egisto Ott und die Situation in Gaza.

Chef des Staatsschutzes wirft hin - FPÖ zufrieden

Der Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, zieht überraschend die Reißleine: Zum Jahresende gibt er sein Amt ab – fast ein Jahr vor Ablauf seiner regulären Funktionsperiode. 

Offiziell spricht der 48-Jährige von einer „freiwilligen Entscheidung“ aus privaten Gründen, wie das Innenministerium in einer Aussendung (Öffnet in neuem Fenster) schreibt. Leicht sei ihm dieser Schritt nicht gefallen, betont Haijawi-Pirchner. Der Rückzug des obersten Staatsschützers kommt dennoch zu einem heiklen Zeitpunkt: Die DSN war zuletzt stark gefordert, nicht zuletzt durch die Bekämpfung rechtsextremer und islamistischer Netzwerke. Es ist nicht der erste Rückzug eines hohen DSN-Mitarbeiters, in den vergangenen Jahren verabschiedeten sich auffällig oft Beamt*innen von ihren Posten. 

Haijawi-Pirchner trat die Leitung des Staatsschutzes an, nachdem der Anschlag vom 2. November 2020 in Wien offengelegt hatte, in welchem desolaten Zustand sich der Verfassungsschutz befand. Zur Erinnerung: Obwohl bekannt war, dass sich der spätere Attentäter mit international vernetzten Islamisten traf und in Bratislava Munition kaufen wollte, leuchtete bei der Behörde keine Warnsignale auf. Der Zustand des Staatsschutzes wird in einem aktuellen Spiegel-Podcast (Öffnet in neuem Fenster)knapp als „Saustall“ beschrieben. Das versuchte Haijawi-Pirchner zu ändern. 

In den vergangenen Wochen wurde Haijawi-Pirchner massiv von der FPÖ attackiert. Neben dem ORF war der Leiter des Staatsschutzes ein bevorzugtes Ziel der Freiheitlichen. Hintergrund sind auch die Ermittlungen gegen rechtsextreme Strukturen, deren Schnittstellen zur FPÖ seit Jahren offenkundig sind. Dazu kommt, dass weite Teile des Wiener Verfassungsschutzes erklärte Freiheitliche sind, die für ein seltsames Arbeitsklima sorgen. 

Dementsprechend groß ist nun die Genugtuung in der Partei über seinen Rücktritt. In einer Aussendung (Öffnet in neuem Fenster) bezeichnete die FPÖ Haijawi-Pirchner als „ÖVP-Parteisoldaten“ und sprach von einem „überfälligen“ Schritt. Zudem warf sie ihm einen „Missbrauch der DSN“ vor – und dass “Interna aus Ermittlungen in Hintergrundgesprächen mit Journalisten” gelandet seien. Belege für einen solchen Geheimnisverrat wurden freilich nicht geliefert. Die Nähe zur ÖVP gibt es tatsächlich, groß aufgefallen ist sie während der Amtszeit von Haijawi-Pirchner allerdings nicht. 

Haijawi-Pirchner war auch Ziel ausländischer Geheimdienste. Russische Agenten und ihre Helfer in Österreich nahmen ihn ins Visier. Die Gruppe um den flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek soll den DSN-Chef ebenso wie Anna Thalhammer, die Chefredakteurin von Profil, ausgespäht haben.

Anklage gegen Verfassungsschutz-Agenten Ott

Nach acht Jahren Ermittlungen erhebt die Wiener Staatsanwaltschaft Anklage gegen Egisto Ott, einst leitender Beamter im Verfassungsschutz. Der Vorwurf: Spionage für Russland – aus Geldgier und Frust über seine Vorgesetzten.

Laut Anklageschrift, die dem Standard (Öffnet in neuem Fenster)und Zackzack (Öffnet in neuem Fenster) vorliegt, soll Ott sensible Daten weitergegeben, Dissident*innen und Ex-Agent*innen verfolgt und russischen Dienste mit internen Abfragen geholfen haben. Immer wieder taucht dabei der Name Jan Marsalek auf, der flüchtige Wirecard-Manager, der in Moskau untergetaucht ist. Über ihn sollen Aufträge gelaufen sein, Geldzahlungen inklusive.

Die Ermittler listen sechs Fälle auf – von der Jagd auf den Ex-FSB-Mann Dmitry Senin über Datenabfragen zu Oligarchen-Vertrauten bis hin zu verschwundenen Handys aus dem Umfeld des Innenministeriums. Selbst der Investigativjournalist Christo Grozev und der Berliner Tiergartenmord spielen eine Rolle.

Ott weist alle Anschuldigungen zurück. Doch schon jetzt gilt: Österreich steht vor dem größten Spionageprozess seit Jahrzehnten.

USA blockiert, Hamas droht

Die USA haben im UN-Sicherheitsrat erneut eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Lage im Gaza-Streifen blockiert – als einziger Staat gegen 14 Ja-Stimmen. Der Text forderte ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen, ein Ende geplanter Gebietsveränderungen, einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln.

Unterdessen drohte die Terrororganisation Hamas angesichts des israelischen Vormarsches auf Gaza-Stadt mit „Tausenden Hinterhalten“ und verteilte nach eigenen Angaben Geiseln auf mehrere Stadtviertel. Die Angaben sind nicht überprüfbar.

Parallel wächst international der Druck: Italiens Außenminister Antonio Tajani sprach sich für die Anerkennung eines palästinensischen Staates aus, Großbritannien könnte laut „Times“ bereits am Wochenende folgen, schreibt der ORF (Öffnet in neuem Fenster).

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

Ausspioniert

Fotos durch den Türspion, Schnüffelei bei den Nachbar*innen: Ein Überwachungsprotokoll zeigt, wie der Erhebungsdienst der Stadt Graz eine ­Bürgerin über Wochen bespitzelte. Trotz Kritik will die ­blau-schwarze Landesregierung den Dienst auf die gesamte Steiermark ausrollen.

https://www.dossier.at/dossiers/top-storys/ausspioniert/ (Öffnet in neuem Fenster)

Wo Frauen 40 Prozent weniger verdienen als Männer

Nirgendwo ist die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern größer als im niederbayerischen Dingolfing-Landau. Warum ist das so?

https://krautreporter.de/geld-und-wirtschaft/6072-wo-frauen-40-prozent-weniger-verdienen-als-manner (Öffnet in neuem Fenster)

Taliban in der Herrengasse

Die WZ geht der Frage nach, warum  Österreich offiziell mit den Taliban zusammenarbeitet.  Wie es überhaupt erst dazu kam – und warum das fatal und heuchlerisch zugleich ist. 

https://www.wienerzeitung.at/a/taliban-in-der-herrengasse (Öffnet in neuem Fenster)

Ich schau heute garantiert Böhmermanns Magazin Royale (ab 20 Uhr in der ZDF Mediathek):

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