Freiheitsentzug, Mangelernährung und sadistische Strafen im SOS-Kinderdorf Moosburg
Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
nach einem ruhigen August sind wir wieder voll im turbulenten September angekommen. Die Nachrichtenlage dreht sich schnell, in der morgendlichen Redaktionssitzung haben wir uns geeinigt, bei zwei Themen zuzuwarten, bis mehr Informationen bekannt werden. Zum einen ist das die Nachricht von einer Bluttat mit zwei Toten und zwei Schwerverletzten gestern Abend in Wien-Leopoldstadt. Alle Anzeichen deuten auf einen Femizid des Partners bzw. Vaters mit anschließender Selbsttötung hin. Aber bis Mittwochmorgen sind noch wenige Details bekannt, wir warten auf gesicherte Informationen. Außerdem gibt es erste Erkenntnisse zu dem Motiv bzw. zu den Lebensumständen des Mörders von Charlie Kirk – auch hier warten wir auf ein vollständiges Bild.
Näher eingehen können wir leider auch nicht auf die Todesmeldung des ikonischen Schauspielers und Regisseurs Robert Redford. Ich empfehle den Nachruf in der gestrigen ZiB-2 (Öffnet in neuem Fenster).

Berichten werden wir dagegen über die israelische Bodenoffensive in Gaza, neue Erkenntnisse über den flüchtigen Spion und Milliarden-Betrüger Jan Marsalek sowie Missbrauchsvorwürfe in einem SOS-Kinderdorf. Bei den Fundstücken wird es dafür etwas leichter – versprochen.

Israel startet Bodenoffensive in Gaza-Stadt
Die rechte Regierung von Benjamin Netanjahu hat die Bodenoffensive der Armee in der Stadt Gaza angeordnet. Verteidigungsminister Israel Katz verkündete kalt: „Gaza brennt“. Die Mission soll dazu dienen, weitere Hamas-Kämpfer zu töten, aber sie gefährdet auch das Leben von hunderttausenden Zivilist*innen, die das Land nicht verlassen dürfen und in der zerbombten Stadt festhängen, erklärt ZDFheute (Öffnet in neuem Fenster). „Militärisch riskant und politisch höchst umstritten“, schreibt die Zeit (Öffnet in neuem Fenster) in ihrer Analyse zum Einsatz.
International gab es deutliche Kritik. Die UN forderten einen Stopp der Offensive, die EU warnte vor weiteren Todesopfern. Eine vom UN-Menschenrechtsrat damit beauftragte Kommission kam zu dem Schluss, dass Israel in Gaza einen Völkermord verübt, schreibt die Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster).
Ntv (Öffnet in neuem Fenster) beschreibt, wie nun auch die israelischen Geiseln gefährdet werden. 20 verschleppte Israelis sollen noch leben, die Hamas soll zudem von 28 weiteren die Leichen zurückhalten. „Statt einen Deal zu erwirken, steckt Netanjahu Gaza-Stadt in Brand. Das werden die Geiseln kaum überstehen“, kommentiert Frauke Niemeyer. Das Risiko, dass die Geiseln als menschliche Schutzschilde eingesetzt und getötet werden, ist groß. Seit mehr als 700 Tagen sind sie in der Gewalt der Hamas.
„Mag sein, dass es danach ein paar aktuelle Hamas-Kämpfer weniger gibt, wie es die israelische Regierung sich zum Ziel gesetzt hat. Aber unter dem Eindruck des Leids werden sich schnell Nachfolger finden“, schreibt das RND (Öffnet in neuem Fenster), unterstreicht aber auch, dass die Eskalation von der Hamas angezettelt wurde.
Scharfe Kritik kommt auch von UN-Generalsekretär António Guterres: „Was heute in Gaza passiert, ist entsetzlich. [...] Die Wahrheit ist, dass dies moralisch, politisch und rechtlich unerträglich ist.“
Die New York Times (Öffnet in neuem Fenster) analysiert, dass der Laissez-faire-Ansatz von US-Präsident Donald Trump Israel freie Hand lässt in Gaza. Für nächste Woche hat Netanjahu einen Besuch im Weißen Haus in Washington D.C. angekündigt.
Die israelische Armee kündigte (Öffnet in neuem Fenster) indes an, ab Mittwochmittag für 48 Stunden eine Fluchtroute aus Gaza-Stadt, der Hauptstadt des Gazastreifens, zu eröffnen.

Neue Enthüllung über Jan Marsalek
Jan Marsaleks Biografie klingt wie aus einem Hollywood-Film: Vorstand eines betrügerischen DAX-Konzerns, mutmaßliche Bilanzfälschung und Untreue, Flucht mit einem Kleinflugzeug über Weißrussland nach Moskau, Spionage für Russland. Ein Rechercheteam um den in Wien lebenden Investigativjournalisten Christo Grozev hat (Öffnet in neuem Fenster) nun neue Erkenntnisse über Jan Marsaleks neues Leben veröffentlicht. Unter der gefälschten Identität Alexander Nelidow lebt er unbehelligt in Moskau; scheinbar arbeitet er für den russischen Geheimdienst und ist mit der Spionin Tatjana Spiridonowa liiert.
Mehrere Fotos zeigen Marsalek mit Kurzhaarschnitt, Dreitagebart und modischer Hornbrille. Die präzisen Recherchen über Marsalek waren laut Spiegel (Öffnet in neuem Fenster) nur möglich, da Russland ein Überwachungsstaat ist, aber gleichzeitig frustrierte Insider und Hacker massenhaft Daten ins Netz stellen. So konnten Daten aus Funkmasten, Flugbuchungsdatenbanken, der Grenzüberwachung sowie Überwachungskameras ausgewertet werden. Brisant: Marsalek war fünfmal auf der annektierten Krim bzw. im Kriegsgebiet in der Ukraine unterwegs. Ein Selfie zeigt Marsalek in russischer Kampfmontur. Vermutlich hat er an Kampfeinsätzen teilgenommen, belegen lässt es sich nicht.

Freiheitsentzug, Mangelernährung und sadistische Strafen im SOS-Kinderdorf Moosburg
„Im SOS-Kinderdorf Moosburg herrschte eine Kultur, die Gewalt und Grenzüberschreitungen auf mehreren Ebenen begünstigte, hervorbrachte, deckte und so kontinuierlich reproduzierte“ – so zitiert der Falter (Öffnet in neuem Fenster) eine Studie, die in Auftrag gegeben wurde, um Missstände in dem Kärntner SOS-Kinderdorf aufzuarbeiten. Jahrelang lag die Studie in der Schublade der spendenbasierten Organisation, nun hat ein Whistleblower den Falter über den Missbrauch von Kindern zwischen 2008 und 2020 informiert.
Eine Kinderdorf-Mutter habe die Kinder mit Essens- und Wasserentzug sanktioniert, die Wasserhähne habe sie abmontiert, die Kinderzimmertüren waren mit Seilen so präpariert, dass sie sich nur einen Spalt öffnen ließen. Freiheitsentzug, Mangelernährung und sadistische Strafen waren nur ein Teil der Gewalt in Moosburg; auch die Intimsphäre der Kinder sei verletzt worden. In Aktenvermerken wird notiert, dass ein Kinderdorf-Mitarbeiter Nacktfotos von Kindern auf seinem privaten Computer speicherte. Obwohl die Geschäftsleitung Süd davon wusste, kam es nicht zu einer Strafanzeige, stattdessen kam es bei beiden Mitarbeiter*innen zu Auflösungen des Arbeitsverhältnisses mit einwandfreien Dienstzeugnissen. In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung. Erst 2020 kam es zu einem Ende der Grausamkeiten und schließlich zu einer externen Aufarbeitung der jahrelangen Missstände. Die Öffentlichkeit wurde nie informiert, strukturelle Änderungen währten nur kurz.

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Wie oft ändern sich Überschriften auf orf.at (Öffnet in neuem Fenster)?
Es ist eine kleine, feine Webseite, die an frühere, bessere Tage des www erinnert. Mit einfachen Mitteln hat der Journalist und SEO-Berater Johannes C. Zeller einen Service gebaut, der dokumentiert, wann und wie die Überschriften auf orf.at (Öffnet in neuem Fenster) geändert werden. Es reicht von simplen Umstellungen, die der Lesbarkeit dienen über neue Informationslagen bis zu Änderungen beim Framing. So kann man etwa nachverfolgen, dass am 26.8. die Überschrift „Entsetzen nach Israels Angriff auf Nasser-Spital“ geändert (Öffnet in neuem Fenster) wurde auf „Entsetzen nach Angriff auf Nasser-Spital in Gaza“. Wer angegriffen hat, ist dann eben nicht mehr auf der Startseite zu sehen.
https://verworfen.at/ (Öffnet in neuem Fenster).

Meine Yoga-Krise
Eigentlich wollte ich in einem Retreat in Nepal meine Yogapraxis verbessern. Doch dann zeigte mir ein Lehrer, wie flach Yoga im Westen oft praktiziert wird.
Wie ich versuchte, mein Hobby zu retten.
https://krautreporter.de/sinn-und-konsum/3442-meine-yoga-krise (Öffnet in neuem Fenster)
What’s With All the Beards?
Dass Bärte – zumindest bei Männern – voll im Trend sind, lässt sich nicht von der Hand weisen. Selbst ein Bartträger, ist mir auch schon aufgefallen, dass Gesichtsbehaarung im Fernsehen, in der Politik und im Showbusiness immer häufiger vorkommt. Das war nicht immer so. J.D. Vance war beispielsweise der erste Kandidat auf einem „presidential ticket“ mit Bart in den letzten 75 Jahren in den USA. In Österreich sind wohl Karl Nehammer, Herbert Kickl und Christoph Wiederkehr die bekanntesten politischen Vertreter der Bart-Renaissance. Schaut man sich die Gruppenfotos der vergangenen Bundesregierungen durch, sieht man, dass die Glattrasur die männliche Norm ist. Laut New York Times (Öffnet in neuem Fenster)gab es historisch fünf große Bart-Wellen: im 2. Jahrhundert, im Mittelalter (Henry VII), in der Renaissance (William Shakespeare), Ende des 19. Jahrhunderts (Franz Josef, Karl Marx oder Charles Darwin) und heute. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde der Bart zum Symbol der Gegenkultur; man denke an das Musical Hair oder Fidel Castro. Ein Bart galt als ungepflegt, teilweise als antiquiert (man denke an das Image eines alternden Professors). Heute ist der gepflegte Vollbart allgegenwärtig, gilt als Symbol von Männlichkeit und Stärke.