Hier kommt alles, was du heute wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
Uns Medien brennt der Hut. Das ist keine Neuigkeit. Wie drastisch die Lage ist, zeigte sich gestern einmal mehr bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Journalist*innengewerkschaft GPA mit dem Presseclub Concordia (Öffnet in neuem Fenster). Die Gewerkschaft GPA rechnet allein für 2025 mit dem Abbau von 300 Stellen bei österreichischen privaten Medienunternehmen. Etwa 1.000 Journalist*innen und auch Angestellte in Bereichen wie Lektorat und Grafik seien derzeit beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet. Darunter leide der qualitativ hochwertige Journalismus und die demokratische Kontrollfunktion der Medien am meisten, deshalb der Hilfeschrei an Politik und Medienunternehmen.
Die GPA fordert folgende Maßnahmen:
Bundesweite Branchenstiftung zur Abfederung der Arbeitsplatzverluste aufgrund der Branchenkrise mit Unterstützung von 100 bis 140 Arbeitsplätzen
Einführung einer Vertriebsförderung für Zeitungen, wie im Regierungsprogramm vorgesehen.
Erhöhung der Journalismus-Förderung zur Absicherung journalistischer Arbeitsplätze durch eine zweckgewidmete Erhöhung der Digitalsteuer von jetzt 5 auf 7 Prozent.
Steuerliche Absetzbarkeit eines Zeitungs- oder Magazin-Abos (Print oder Online) pro Haushalt.
Bessere Absicherung von Journalist:innen gegen SLAPP-Klagen
Zusammenschluss und Gründung einer Verwertungsgesellschaft der österreichischen Verlage zur Verrechnung von Lizenzgebühren gegenüber Online-Riesen
Der zuständige Medienminister und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) sagte auf die Forderungen angesprochen, die Situation sei ihm bewusst, es gäbe eh schon umfangreiche Förderungen, aber sie würden offenbar nicht funktionieren, schreibt orf.at (Öffnet in neuem Fenster).
Umso wichtiger ist es, unabhängige Medien wie Krautreporter (Öffnet in neuem Fenster) und tageins.at (Öffnet in neuem Fenster) zu unterstützen.

Außerdem geht es heute um Israels umstrittene Pläne, das Westjordanland zu annektieren, um die Einigung der EU, die Ukraine weiterhin zu unterstützen und die Neuaufstellung bei SOS Kinderdorf.

Annexion oder Allianz: Israels gefährlicher Kurs
Israels jüngste Entscheidung zur möglichen Annexion des Westjordanlands könnte den ohnehin fragilen Frieden im Nahen Osten ins Wanken bringen – und bringt Premierminister Benjamin Netanjahu wie auch die US-Regierung in eine heikle Lage. Die Knesset, das israelische Parlament, stimmte mit 25 zu 24 Stimmen (Öffnet in neuem Fenster) für einen Gesetzentwurf, der den ersten politischen Schritt in Richtung einer Annexion einleitet. Gestern folgte ungewohnt deutliche Kritik aus Berlin (Öffnet in neuem Fenster): Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts nannte das Votum „grundfalsch“ und warnte vor einem Bruch des Völkerrechts.
Auch in Washington reagierte man scharf. US-Vizepräsident J. D. Vance sprach (Öffnet in neuem Fenster) von einem „sehr dummen politischen Manöver“ direkt im Anschluss an seinen Aufenthalt in Israel im Rahmen der US-Bemühungen um einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas und nannte den Vorstoß eine persönliche Beleidigung. Präsident Trump selbst bekräftigte (Öffnet in neuem Fenster), die USA würden eine Annexion „nicht zulassen“ – Israel würde „jede Unterstützung verlieren“, sollte es diesen Schritt gehen. In einem Interview betonte er kürzlich, er habe den arabischen Staaten im Zuge des Waffenstillstands sein Wort gegeben, dass keine Annexion stattfinden werde.
Damit steht Netanjahu doppelt unter Druck: Von rechts drängen nationalreligiöse Koalitionspartner wie Finanzminister Bezalel Smotrich und Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir auf die Ausweitung israelischer Souveränität auf das Westjordanland. Zugleich ist Netanjahus ohnehin fragile politische Macht eng mit der Unterstützung der USA verknüpft – einem Partner, der in dieser Frage zunehmend ungeduldig wird. Nachzulesen ist sein Dilemma beim Atlantic (Öffnet in neuem Fenster). Er bemühte sich, das Ganze als Provokation der Opposition ohne größere Auswirkungen abzutun.
Die USA sehen demnach in der Annexion nicht nur eine Gefahr für den brüchigen Waffenstillstand im Gazastreifen und die sensiblen Verhandlungen mit arabischen Partnerstaaten, sondern auch für das diplomatische Projekt, das Trump einst als sein größtes außenpolitisches Erbe seiner ersten Amtszeit bezeichnete: die Abraham-Abkommen. (Öffnet in neuem Fenster) Diese Friedensverträge zwischen arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel beruhten darauf, dass Israel auf die Annexion des Westjordanlands verzichtet. Nun droht ausgerechnet dieser Schritt, das Fundament dieser Vereinbarungen zu zerstören – und damit Trumps Nahostpolitik ins Wanken zu bringen. (Johanna Hänsel)

EU streitet über Ukraine-Finanzierung durch russische Gelder
Die EU ringt nicht nur um neue Sanktionen, sondern vor allem darum, wie die Ukraine dauerhaft finanziert werden kann. Jede Verzögerung schwächt die Planbarkeit in Kiew und sendet ein Signal nach Moskau. Beim EU-Gipfel in Brüssel ist gestern die Entscheidung, Erträge aus eingefrorenen russischen Zentralbankgeldern systematisch für die Ukraine zu nutzen, überraschend auf den Dezember vertagt worden. Geeinigt haben sich die EU-Regierungschef*innen darauf, den „dringenden Finanzbedarf“ der Ukraine für die nächsten zwei Jahre zu decken.
Belgien blockierte (Öffnet in neuem Fenster) eine sofortige Einigung bezüglich der russischen Gelder und fordert unter anderem eine EU-weite Absicherung möglicher Rechtsrisiken für den in Belgien ansässigen Finanzdienstleister Euroclear. Das bedeutet im Klartext Risikoteilung in der EU, falls Russland klagt oder Vergeltung übt. Andere Hauptstädte warnen in dem Zusammenhang, man könne nicht jedes Unternehmensrisiko sozialisieren. Die Kommission soll nun bis Dezember „rechtssichere“ Modelle und Alternativen vorlegen – wobei Diplomaten keine realistische Option sehen, die ohne die Erträge der eingefrorenen Vermögen auskommt, nachzulesen beim RND (Öffnet in neuem Fenster).
Während die EU beriet, meldete Litauen die Verletzung seines Luftraums durch zwei russische Militärmaschinen (Öffnet in neuem Fenster). Der deutsche Kanzler Friedrich Merz sprach von einer „bewussten Provokation“ und kündigte Beratungen im NATO-Rat an. Vilnius bestellte den russischen Botschaftsvertreter ein; Moskau weist die Vorwürfe zurück. (Johanna Hänsel, adaptiert von Emil Biller)

Vorwürfe gegen SOS-Kinderdorf-Gründer Gmeiner
Jetzt werde aufgeräumt. Einen „vollständigen Neustart“ verspricht Annemarie Schlack, eine der Geschäftsführerinnen von SOS-Kinderdorf, gestern im ZIB2-Interview. Die Organisation hat gestern selbstständig acht Fälle von mutmaßlichem sexuellen Missbrauch an jungen Burschen durch den Gründer Hermann Gmeiner öffentlich gemacht. Bereits seit 2013 wisse man intern von den Vorwürfen. Erst im September diesen Jahres kam der Stein dann ins Rollen, als der Falter (Öffnet in neuem Fenster) Vorwürfe gegen Mitarbeitende eines Kinderdorfs in Kärnten öffentlich gemacht hatte. In den Wochen darauf wurden weitere mögliche Missbrauchsfälle auch in anderen Kinderdörfern bekannt. Der langjährige Geschäftsführer Christian Moser wurde Anfang Oktober vom Aufsichtsrat freigestellt.
Auch der bereits 1986 verstorbene Kinderdorf-Gründer und weltweit dafür bekannte und geehrte Hermann Gmeiner soll eben 1980er-Jahren an zumindest acht minderjährigen Burschen „sexuelle Gewalt und Misshandlungen" ausgeübt haben. Weitere Betroffene können laut der Organisation nicht ausgeschlossen werden. Allein in den letzten Wochen sind über 67 weitere Meldungen eingegangen, sagte Schlack gestern in der ZIB2. Eine Reformkommission unter der Leitung der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss arbeitet seit Anfang Oktober an der Aufarbeitung, der Standard (Öffnet in neuem Fenster) liefert detaillierte Antworten auf offene Fragen zum Fall.

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

Medienwatchblog sucht neue Mitglieder
Je dramatischer die Medienkrise, desto dringender braucht es auch ein waches Auge auf mögliche Verfehlungen in der eigenen Branche. In Österreich macht das niemand so aufmerksam wie der Medienwatchblog Kobuk. Seit 2010 überwiegend ehrenamtlich betrieben, wird die österreichische Medienlandschaft kritisch unter die Lupe genommen.
Zuletzt gab es etwa Recherchen zu falschen Meldungen von Exxpress nach dem Tod von Charlie Kirk (Öffnet in neuem Fenster) und die zweifelhafte Berichterstattung rund um den GPS-Ausfall von Von der Leyens Flieger (Öffnet in neuem Fenster). Jetzt braucht Kobuk dringend neue Unterstützer*innen!
https://kobuk.at/2025/10/kobuk-startet-mitglieder-kampagne/ (Öffnet in neuem Fenster)
Interview: Wie eine Studentenbewegung das Klimarecht für immer verändert hat
Während Klimaschutz in Deutschland derzeit wie Stillstand wirkt, versinkt seine Heimat. Hier erzählt Vishal Prasad, warum er keine Alternative sah, als vor das höchste UN-Gericht zu ziehen.
https://krautreporter.de/klimakrise-und-losungen/6113-wie-eine-studentenbewegung-das-klimarecht-fur-immer-verandert-hat (Öffnet in neuem Fenster)
Deutscher Lifthersteller wirbt mit Louvre-Coup
Nach dem spektakulären Juwelenraub im berühmten Pariser Louvre freut sich nun ein deutscher Maschinenhersteller über die unerwartete Aufmerksamkeit. Der Kran, mit dem der Einbruch am helllichten Tag durchgeführt wurde, stammt vom westfälischen Unternehmen Böcker Maschinenwerke.
Auf ihrem Instagram-Profil werben sie nun mit einem Foto vom Tatort und dem Slogan „Wenn’s mal wieder schnell gehen muss” und „flüsterleise dank 230V E-Motor”. Wirklich well played.

Wünscht ein schönes Wochenende und einen entspannten Frauen*streik (Öffnet in neuem Fenster) (alle hin, auch die Männer!):
Emil