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Bei der Geburt vertauscht — nach 35 Jahren wiedergefunden

Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!

„Es geht um ,Veggie‘-Wurst“, titelt orf.at (Öffnet in neuem Fenster). Mal wieder wird ein eigentlich träges Thema – die Lebensmittelkennzeichnung – zum Kulturkampfthema ausgerufen. Die Fronten sind klar; EU-Abgeordneter Gerald Hausner (FPÖ) wittert ernsthaft „Kundentäuschung“ hinter Begriffen wie Veggie-Burger oder Seitan-Schnitzel. Auch wenn du dir jetzt denkst, ob die keine echten Probleme haben, wird sich heute ernsthaft das EU-Parlament mit der Frage auseinandersetzen, ob Konsument*innen durch solche Begriffe in die Irre geführt werden.

Wir erinnern uns, der betrügerischen Hafer-Milch wurde schon der Strick gedreht: Millionen Menschen atmen auf, weil das weiße Getränk nun Hafer-Drink genannt werden muss. Noch ist nichts bestätigt, aber es kann nicht mehr lange dauern bis rechte Kulturkämpfer*innen Hackschnitzelheizung, Wolfsmilchgewächs. Leberkäse und Spaghetti-Eis endlich überführen. 

Außerdem haben wir heute im Nachrichtenteil die effektive Lohnkürzung für Staatsbedienstete, ein Politiker, der Verantwortung übernimmt, ohne Verantwortung zu übernehmen und neue Nobelpreisträger.

Beamtengehälter bleiben unterhalb der Inflationsrate

„Das Modell Österreich zeigt einmal mehr seine Handlungsfähigkeit“, jubelt Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ). Nach kurzen Verhandlungen haben sich Bundesregierung und Beamtengewerkschaft am Dienstagabend auf einen neuen Gehaltsabschluss geeinigt. Zumindest PR-technisch ist der Regierung und der Sozialpartnerschaft ein Erfolg gelungen.

Auf der Verliererseite stehen wohl all jene, die für die öffentliche Hand arbeiten. Eigentlich war vereinbart, dass die Gehälter zum 1. 1. 2026 um 3,3 Prozent steigen – das wird nun um sechs Monate nach hinten verschoben. Durchgerechnet steigen somit die Beamtengehälter 2026 um lediglich 1,65 Prozent und damit weiter unter der Inflationsrate von drei Prozent. Wie schon 2025 müssen Staatsangestellte auch 2026 einen Reallohnverlust hinnehmen. Damit tragen die Beamt*innen im Jahr 2026 über 310 Millionen Euro zur Budgetkonsolidierung bei.

Von August 2027 bis August 2028 sowie von September bis Ende 2028 werden die Gehälter um jeweils ein Prozent erhöht. Die Regierung hatte ursprünglich für 2027 und 2028 mit Nulllohnrunden gedroht. Chefverhandler Eckehard Quin (GÖD) zeigte sich dementsprechend auch erleichtert: „Ich glaube, dass das unter den gegebenen budgetären Rahmenbedingungen etwas ist, das herzeigbar ist.“

Wöginger übernimmt Verantwortung für Amtsmissbrauch, bleibt aber im Amt

Gestern kurz nach Redaktionsschluss kam die Entscheidung: Das Gericht stimmt der Diversion zu. ÖVP-Klubobmann August Wöginger muss 2,5 Monatsgehälter (44.000 Euro) Buße zahlen, darf sich aber unschuldig nennen. Auch die zwei Mitangeklagten Siegfried M. und Herbert B., die in der Bewerbungskommission den von Wöginger empfohlenen Kandidaten auswählten, kamen mit Straffreiheit davon. Das Opfer erhält eine symbolische Entschädigung in Höhe von jeweils 500 Euro. 

Gleich startete die ÖVP die kommunikative Reinwaschung ihres Spitzenpolitikers: Vor Gericht hatte sich Wöginger entschuldigt und die Verantwortung übernommen, später auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) war die Schuldeinsicht verflogen: „Die letzten dreieinhalb Jahren waren für mich eine sehr herausfordernde Zeit. [...] Das ist nicht einfach, wenn man immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert wird.“ Auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) freut (Öffnet in neuem Fenster) sich für „seinen Freund”, dass dieser den Gerichtssaal als „unbescholtener Mann verlässt“. Auch die Vorsitzende des ÖVP-Ethikrats sieht trotz eindeutiger Verletzung der eigenen Ethikregeln kein Problem.

Dagegen ist es für Antikorruptionsexperte Martin Kreutner „verwunderlich” und eine falsche Signalwirkung, dass es für Wöginger eine Diversion gab. „Es gibt einen Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen, in die Regierung, in die öffentlichen Mandate“, sagte Kreutner. Überraschend ist, dass sich weder Koalitionspartner (Öffnet in neuem Fenster) noch die Opposition (Öffnet in neuem Fenster) kritisch gegen Wöginger positionieren.

Chemienobelpreis an drei Materialforscher

Kurz vor Redaktionsschluss gab (Öffnet in neuem Fenster) die schwedische Akademie der Wissenschaften bekannt, dass der diesjährige Chemie-Nobelpreis an Susumu Kitagawa (Öffnet in neuem Fenster) aus Japan, Richard Robson (Öffnet in neuem Fenster) aus Großbritannien und Omar Yaghi (Öffnet in neuem Fenster) aus Jordanien geht. Ausgezeichnet werden die Chemiker für die Entwicklung neuer Molekülarchitektur. Beim Standard gibt es bereits ein Portrait (Öffnet in neuem Fenster) über Yaghi und seine Arbeit zu Kohlenstoffdioxid-Capturing.

Von gestern nachreichen will ich noch die Ausgezeichneten für den Physik-Nobelpreis: Er wird an John Clarke (Großbritannien), Michel Devoret (Frankreich) und John Martinis (USA) für Entdeckungen im Bereich der Quantenmechanik verliehen. Morgen folgt die Verkündung des Literaturnobelpreises, am Freitag wird der Friedensnobelpreis verkündet.

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

„Ich rate alle Frauen, sich zu wehren

Ohne einer Frau, die sich gegen Diskriminierung gewehrt hätte, wäre der Fall Wöginger nie ins Rollen gekommen. Dass das kein Einzelfall ist, zeigt auch ein aktuelles Interview im Anschläge-Magazin. Elisabeth S. berichtet dort detailliert, wie sie sich erfolgreich gegen Lohndiskriminierung gewehrt hat und schließlich nach drei Jahren erreichte, dass der Arbeitgeber ihr eine fünfstellige Summe auszahlen musste. Mit psychischen Problemen belastet, hatte sie zunächst im Krankenstand gekündigt, sich aber dann doch entschieden, mit Hilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft den Kampf aufzunehmen.

„Das Ausmaß der Diskriminierung, die Frauen am Arbeitsplatz erfahren, ist nach wie vor extrem hoch“, sagt Elisabeth S. im Interview. „Ich würde mir wünschen, dass all diese Frauen diese Fälle bei der Gleichbehandlungskommission melden. Ich glaube, dass es stärkt, wenn man damit nicht allein ist.“

https://anschlaege.at/ich-rate-allen-frauen-sich-zu-wehren/ (Öffnet in neuem Fenster)

Das Geschäft mit Männlichkeit läuft super – verunsicherte Männer zahlen gut

Der Journalist James Bloodworth war auf Pick-Up-Seminaren, Männer-Konferenzen und in Online-Foren unterwegs. Am Anfang war er total euphorisch.

https://krautreporter.de/geschlecht-und-gerechtigkeit/6095-das-geschaft-mit-mannlichkeit-lauft-super-verunsicherte-manner-zahlen-gut (Öffnet in neuem Fenster)

Bei Geburt vertauscht, nach 35 Jahren wiedergefunden

Im Oktober 1990 werden Doris Grünwald und Jessica Baumgartner kurz nach der Geburt in der Grazer Uniklinik versehentlich vertauscht; die Eltern gehen mit dem Kinder der jeweils anderen Familie nach Hause. Grünwald entdeckte vor rund 10 Jahren zufällig durch eine Blutspende, dass sie nicht mit ihren Eltern verwandt ist. Erst vor rund fünf Wochen, 35 Jahren nach der Geburt, kamen die beiden Frauen in Kontakt. #

„Dann schickt sie mir das Foto und ich schau die Mama an auf dem Foto und ich habe mich gesehen“, beschreibt Doris Grünwald den Moment als sich das lange Martyrium der Ungewissheit auflöst. „Letztendlich war alles wirklich gut so wie es war und trotzdem steh’ ich manchmal irgendwo alleine am Gang und fang’ zum Rearn an, weil das emotional so groß ist. Auch wenn so viel Schönes da ist, ist auch viel Schmerz da“, sagt Jessica Baumgartner. Die ORF-Sendung Thema hat bereits 2016 darüber berichtet, nun war sie beim ersten gemeinsamen Treffen der Kinder und beider Elternpaare dabei.

https://on.orf.at/video/14294320/thema-vom-06102025 (Öffnet in neuem Fenster)

Wünscht eine schöne Wochenmitte:

Dominik

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