Das versteckte Armutsrisiko von Frauen
Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
Heute Morgen in der Redaktionssitzung haben wir lange über die Nachrichtenthemen und deren Gewichtung diskutiert. Vor allem zwei Dauergäste in den Nachrichten lodern derzeit auf verhältnismäßig kleiner Flamme.
Einerseits: Frankreich, wo die Regierungskrise kein Ende nimmt. Premierminister Sébastien Lecornu bekommt nach seinem Rücktritt eine zweite Chance. Um den Sozialisten entgegenzukommen, entschieden Macron und Lecornu, lieber die Pensionsreform als die Vermögensteuer zu opfern (Öffnet in neuem Fenster). Ob das reicht, um Lecornu im Amt zu halten und ob Frankreich endlich ein Budget beschließt, wird sich weisen. Das Budgetdefizit ist mit 4,7 Prozent des BIP ähnlich hoch wie in Österreich.
Andererseits: die Probleme bei der Umsetzung des Gaza-Friedensplans. Die Hamas hat erst 9 von 28 sterblichen Überresten getöteter Geiseln übergeben; der israelische Außenminister reagiert erzürnt und droht mit einer Wiederaufnahme der Kämpfe. Die Hamas sprach davon, dass für die Bergung der Leichen spezielle Ausrüstung nötig sei, da diese unter ausgebombten Häusern oder in Tunnelschächten verschüttet seien (Öffnet in neuem Fenster).
Wir beobachten beide Themen, haben uns aber heute entschieden, genauer nach Madagaskar zu blicken, wo das Militär gerade die Macht übernommen hat.

Außerdem im Nachrichtenteil: ein Rückblick auf den gestern zu Ende gegangenen ersten Strafprozess gegen René Benko sowie die Covid-Welle, die gerade über Österreich rollt.

Militär hat Macht in Madagaskar übernommen
Seit Wochen gehen junge Menschen in Madagaskar auf die Straße, um gegen die Regierung von Präsident Andry Rajoelina zu protestieren. Auslöser der Jugendbewegung waren Wassermangel und Stromausfälle; Armut, Perspektivlosigkeit, Korruption und Mangel im Bildungssystem kamen schnell als Themen hinzu. Rajoelina reagierte zunächst mit Härte, die Proteste der Gen Z wurden niedergeschlagen, mindestens 22 Menschen getötet.
In den vergangenen Tagen schlug (Öffnet in neuem Fenster) das Pendel im afrikanischen Inselstaat dann um: Das Militär nahm die Seite der Protestierenden ein. Rajoelina ist angeblich ins Ausland geflohen, der Präsidentenpalast vakant. Michael Randrianirina, Chef der Elite-Militäreinheit CAPSAT, beanspruchte am Dienstag die Macht und wurde dabei auch vom Verfassungsgericht unterstützt. Die bisherige Zivilregierung soll weiterbestehen, innerhalb von zwei Jahren soll ein Referendum abgehalten werden.
Madagaskar gilt als eines der ärmsten Länder der Welt, 75 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, viele Menschen leiden unter Hunger und Mangelernährung. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 hat sich die Kaufkraft fast halbiert, berichtet der Spiegel (Öffnet in neuem Fenster). Als Rajoelina 2009 durch einen Putsch an die Macht kam, galt er als junger Hoffnungsträger.
Die Proteste in Madagaskar werden im Ausland genau beobachtet: Auch in Nepal, Marokko, Kenia und den Philippinen ging die Generation Z zuletzt auf die Straße; im Spiegel (Öffnet in neuem Fenster) gibt es einen guten Überblick über die verschiedenen Protestbewegungen.

Frei- und Schuldspruch für Benko
Anders als etwa bei den Fällen um Karl-Heinz Grasser oder Sebastian Kurz versucht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die verschiedenen Stränge der Benko-Ermittlungen in 14 kleinere Strafverfahren aufzuteilen.
Der erste Strafprozess gegen den Signa-Gründer ging (Öffnet in neuem Fenster) gestern mit einem Frei- und einem Schuldspruch für René Benko am Innsbrucker Landesgericht zu Ende. Ein Schöffensenat verurteilte Benko zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen betrügerischer Krida. Die Richterin sah als erwiesen an, dass Benko mittels einer 300.000-Euro-Schenkung an seine Mutter versucht habe, Geld in Anbetracht der Insolvenz auf die Seite zu schaffen. Das Urteil ist (Öffnet in neuem Fenster) nicht rechtskräftig; eine Entscheidung über weitere Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als auch vom Angeklagten steht noch aus.

Covid- und Erkältungswelle rollt über Österreich
Die ÖGK meldet auf ORF-Anfrage für die vergangene Woche 83.000 Krankmeldungen wegen grippaler Infekte und 4.000 Krankmeldungen aufgrund von Covid. Insgesamt gab es in der Kalenderwoche 40 258.500 Arbeitsunfähigkeitsmeldungen, in der Kalenderwoche 41 bereits 268.700. Allerdings sind die Zahlen deutlich niedriger als in der gleichen Periode im Vorjahr. Auch im Abwassermonitoring sei ersichtlich, dass die Coronainfektionen gerade ansteigen.
Neben der Grippe-Impfung empfiehlt die Österreichische Gesundheitskasse daher auch die Covid-19-Impfung; beide sind kostenlos möglich. Laut ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter könne man auch beide Impfungen gleichzeitig erhalten. Der Höhepunkt der Grippewelle wird für Dezember und Jänner erwartet. Eine Impfung sollte mindestens zwei Wochen davor geschehen, damit das Immunsystem den Schutz vollständig aufbauen kann.

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

Porträts von Augustin-Verkäufer*innen
Ausgabe für Ausgabe werden in der Straßenzeitung Augustin auch jene Menschen vorgestellt, die den Augustin auf der Straße, in U-Bahnstationen oder in Lokalen verkaufen. Zina (55) erzählt, wie sie zur Zeitungsverkäuferin wurde. Am Reumannplatz steht sie täglich von 7.00 bis 18.00 Uhr um Geld für sich und ihre sechs Kinder zu verdienen: „Ich vertraue auf Gott, dass er mein tägliches Brot gibt. Es heißt schließlich nicht ,das Brot von morgen’.“
Martin hat einen Privatkonkurs hinter sich, nach Jahren in der Gruft lebt er mittlerweile in einer kleinen Gemeindewohnung und verkauft seit vielen Jahren den Augustin: „Geändert haben sich die Verkaufszahlen, sie gingen zurück.“ Über hundert solcher kleinen Einblicke in der Alltag der ärmsten Menschen gibt es bereits, alle sind sie lesenswert.

Wie das System Waldorf Missbrauch an Schulen begünstigt
Ein Lehrer in Überlingen missbrauchte jahrelang Schüler*innen. Eine Studie rekonstruiert seine Taten und zeigt: Die Eigenheiten von Waldorfschulen haben den Täter geschützt.

Caritas warnt vor steigender Frauenarmut
Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit heißt auch immer: steigende Armut. Besonders davon betroffen sind Frauen. Zwei Drittel der Hilfesuchenden in Sozialberatungsstellen sind Frauen, meldet die Caritas Niederösterreich. Armut ist nicht gleich verteilt, rund ein Drittel aller Alleinerziehenden lebe unter der Armutsgefährdungsschwelle. „Das Geld hat hinten und vorne nicht gereicht, für das Heizen war nichts mehr übrig. Ich bin dann mit den Kindern spazieren oder auf den Spielplatz gegangen und habe immer meine zwei großen Taschen dabeigehabt, um Klaubholz zum Heizen zu sammeln“, erinnert (Öffnet in neuem Fenster) sich eine Klientin der Caritas, die drei Kinder alleine erzieht. Eine neue Studie (Öffnet in neuem Fenster) im Auftrag der Caritas beleuchtet das versteckte Armutsrisiko von Frauen, die mit einem Partner zusammenleben. Ein Drittel der nicht-alleinlebenden Frauen ist individuell armutsgefährdet – fast dreimal so viele wie Männer in vergleichbarer Lebenssituation.
Wünscht einen schönen Nachmittag:
Dominik
