Es ist Freitagmorgen und du liest das tag eins briefing. Jede Woche bieten wir dir hier Perspektiven, Einschätzungen und Analysen zu Politik & Medien – so wie in einer guten Diskussion unter Freund*innen.
Und, hast du den Sieg von Donald Trump schon verdaut? Sicher hast du mitbekommen, wie die US-Wahlen ausgegangen sind. Wohl kein anderes (politisches) Ereignis wird von so vielen Leuten auf der ganzen Welt verfolgt. Auch weil darüber so intensiv berichtet wird. Für uns war klar: Als politisches Magazin können wir das Thema nicht auslassen. Aber gleichzeitig wussten wir auch, es wird nicht leicht, etwas zu schreiben, das niemand sonst schreibt.
Das ist nämlich unser Anspruch an diesen Newsletter. Wir wollen Perspektiven aufzeigen, die andere Medien links liegen lassen, wir wollen politisch-mediale Analysen bringen, die andere Journalist*innen nicht angreifen wollen. Und wir wollen der sich ausbreitenden rechten Hegemonie etwas entgegensetzen. Mal sehen, wie uns das gelingt. Gute Unterhaltung bei der ersten Ausgabe unseres neuen Newsletters tag eins briefing!
Tausende Journalist*innen weltweit haben diese Woche über den Ausgang der US-Wahlen berichtet, viele vor Ort. Am Ende berichten alle die gleichen Fakten (hoffentlich!), der Rest sind Meinung, Anekdoten und Einschätzungen. Sollten sich die Medien auf anderes konzentrieren? Ja, ich finde schon.
Verstehe ich, warum sie es nicht tun? Auch ja. Die US-Wahl ist ein planbares und simples Medien-Megaereignis, die Geschichten darüber schreiben sich quasi von selbst. Inhalte und Bilder sind leicht verfügbar, für spannende Stories kann man sich einfach von US-Medien inspirieren lassen und allzu oft und gerne reisen Journalist*innen für die Wahlen selbst nach D.C.
Die Stadtzeitung Falter hat Raimund Löw in die USA geschickt, Profil seine Chefredakteurin Anna Thalhammer, die Wiener Zeitung die Video-Reporterin Valentine Engel und für die Zeit im Bild macht Ambra Schuster Tiktoks aus den USA. Das ist nur eine kleine Auswahl und soll keine Kritik an der Arbeit dieser Kolleg*innen sein. Dass man gerne von vor Ort berichtet, verstehe ich sehr gut. Ich hätte auch nichts dagegen, jetzt zwei Wochen in den USA zu arbeiten. Aber ob dieses Investment der Medienhäuser dem Publikum weiterhilft, bezweifle ich.
Wer sich über die US-Wahl informieren will, ist in meinen Augen besser mit amerikanischen Medien und Google Translate bedient.
In der englischsprachigen Fachwelt gibt es sogar einen Begriff dafür, wenn Journalist*innen für Kurzeinsätze in ein fremdes Land geschickt werden: parachute journalism. Also Fallschirmjournalismus. Schnell hin zum Berichten und dann auch schnell wieder weg. Zwangsläufig führt parachute journalism zur Reproduktion von Klischees. Da werden dann etwa republikanische Wähler*innen wie in einer Art Freakshow vorgeführt, die Wiener Stadtzeitung erklärt in einem (!) Podcast die Entwicklung Amerikas in den letzten Jahren oder es werden Geschichten (wie etwa über die Obdachlosigkeit in der Kanalisation von Las Vegas) erzählt, die so schon intensiv von US-amerikanischen Medien berichtet wurden.
„Leser*innen wäre mehr geholfen, wenn deutschsprachige Medien langfristige Kooperationen mit Medien vor Ort aufbauen“
Aber ginge das nicht besser? Ich habe meinen in New York wohnenden Freund und Kollegen Christian Fahrenbach gefragt, der mittlerweile über seine fünfte Präsidentenwahl aus den USA berichtet – unter anderem für die Salzburger Nachrichten und die dpa. „Leser*innen wäre mehr geholfen, wenn deutschsprachige Medien langfristige Kooperationen mit Medien vor Ort aufbauen“, sagte Christian kurz vor dem Wahlgang. Eine übersetzte Analyse des Philadelphia Inquirer aus einem Industrie-Vorort oder die Erklärungen einer Schwarzen NPR-Korrespondentin aus Georgia könnten echten Mehrwert liefern. „Teils jahrzehntelange Erfahrung der Kolleg*innen vor Ort würde auch bei europäischen Leser*innen für mehr Erkenntnisgewinn in der Tiefe sorgen“, sagt Christian.
Schön wär’s, aber ich fürchte, spätestens beim Iowa Caucus (den ersten US-Vorwahlen) im Jänner 2028 wird alles wieder genauso losgehen.
Wir ändern unseren journalistischen Fokus. Ab sofort berichten wir über Politik und Medien und die Schnittstelle von beidem.
Einerseits haben uns die User*innen-Interviews (mehr dazu kannst du hier nachlesen) gezeigt, dass euch diese Themen ganz besonders interessieren. Andererseits sind wir überzeugt davon, dass es sich lohnt, ja fast notwendig ist, hier genauer hinzusehen. Wir leben in politisch unruhigen Zeiten, rechte Kräfte sind dabei, die kulturelle, mediale und wirtschaftliche Hegemonie zu übernehmen. Rechtsautoritäre Parteien sind mittlerweile in vielen Ländern Europas die stärkste Kraft, Herbert Kickl steht an der Schwelle zum Bundeskanzleramt. Diesen Vormarsch der Rechten sehen wir als Auftrag, genauer hinzuschauen.
Wir leben in einer medialen Gesellschaft; wir verstehen, kommunizieren und interagieren mit unserer Umwelt durch Medien. Wenn wir von Medien sprechen, meinen wir einen erweiterten Medienbegriff – Medien als (Ver-)Mittler. Medien umfassen in diesem Sinn weit mehr als nur journalistische Massenmedien, damit gemeint sind auch Bücher, Streamingangebote, Smartphones oder das Internet. Ohne den medialen „Kulturkämpfen“ wäre der große Erfolg von Herbert Kickl oder Donald Trump undenkbar. An genau dieser Schnittstelle wollen wir in Zukunft mit unserem Journalismus ansetzen.
Diese Neuausrichtung ist für uns kein kompletter Neubeginn, diese Themen waren immer schon Teil der tag-eins-Berichterstattung (etwa hier, hier oder hier), aber nun konzentrieren wir uns darauf.
Gleichzeitig verändern wir auch, wie und wann wir berichten: Weiterhin veröffentlichen wir donnerstags unsere gut recherchierten, ausgeruhten und in die Tiefe gehenden Texte. Ihr schätzt das an uns. Diese Artikel gibt es zukünftig in drei verschiedenen Formaten:
Zusätzlich starten wir mit dem tag eins briefing einen neuen wöchentlichen kostenlosen Newsletter. Immer freitags um 7 Uhr analysieren wir darin das Thema der Woche und liefern in kürzeren Formaten neue Perspektiven rund um die Schnittstelle von Politik & Medien. Wir wollen damit der rechten Dominanz im Diskurs etwas entgegensetzen und konstruktive Sichtweisen aufzeigen.
Vergangene Woche bekam man einen ersten Eindruck, wohin die FPÖ unser Land lenken will. Anlässlich eines Besuches des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán beim frisch gewählten FPÖ-Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz wurde das Parlament kurzzeitig zu einer freiheitlichen Showbühne.
Highlight war die gemeinsame Unterzeichnung einer „Wiener Erklärung“ von Orbán und FPÖ-Parteichef Herbert Kickl, inklusive transfeindlicher und rassistischer Inhalte, denen wohl auch der ebenfalls frisch gewählte US-Präsident Donald Trump etwas abgewinnen könnte.
Der fehlende Abstand zu Rechtsextremen ist ein Grund, warum die jüdische Gemeinde nichts mit FPÖ-Politiker*innen zu tun haben will. Sie wird wegen Rosenkranz daher auch nicht an den kommenden offiziellen Gedenkfeiern an NS-Opfer teilnehmen.
Den vollständigen Artikel kannst du hier lesen:
(Diesen Text gibt es exklusiv für tag-eins-Mitglieder)
Nach so einer Woche will man sich eigentlich nur unter einer Decke verkriechen. Ich empfehle dazu: Kerzen anzünden, einen feinen Tee trinken und wieder einmal Twilight anschauen (extrem cringe und schlecht gealtert, aber perfekt für diese düsteren Tage).
Biss nächsten Freitag,
Emil von tag eins
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