Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!

Hallo!
Es ist 1994. Jörg Haider hält (Öffnet in neuem Fenster) bei einem TV-Wahlkampfduell eine Tafel in die Kamera, die die Sozialdemokratie verändert. Der FPÖ-Chef prangert die hohen Pensionen bzw. Gehälter von sozialdemokratischen Arbeiterkammer-Funktionären an. Plakativ und simpel gelingt es der FPÖ so, der SPÖ das Image der Privilegien-Partei umzuhängen.
Was damals und bis heute im Diskurs außen vor blieb, waren die Wirtschaftskammer-Funktionäre respektive die ÖVP. Spätestens seit gestern hat sich das wohl geändert. Mehr dazu im Nachrichtenteil.

Außerdem berichten wir heute über aufgeweichte Klimaziele und die neue Regierung in Tschechien.

EU-Umweltminister*innen schwächen Klimaziel ab
Wenige Tage vor dem Klimagipfel COP30 in Belém in Brasilien haben sich die europäischen Länder in wichtigen Details auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Die Umweltminister*innen der EU haben dabei nach langen Verhandlungen in Brüssel beschlossen, die eigenen Klimaziele etwas aufzuweichen. Am Ziel, den CO₂-Ausstoß bis 2040 im Vergleich zum Jahr 1990 um 90 Prozent zu reduzieren, soll festgehalten werden. Es soll aber möglich sein, dass sich die EU-Staaten fünf Prozentpunkte davon aus dem außereuropäischen Ausland zukaufen – die eigene Reduktion muss dann nur noch 85 Prozent betragen. Das geht beispielsweise über die Finanzierung von Aufforstungsprojekten in anderen Ländern, erklärt der Deutschlandfunk (Öffnet in neuem Fenster) gut in einem Überblick mit den wichtigsten Fragen und Antworten zu der Entscheidung.
Kritiker*innen sagen allerdings, dass die Einigung nun das falsche Signal sende und die ohnehin immer noch zu defensiven Klimaziele aufweiche. Das RND (Öffnet in neuem Fenster) nennt den Beschluss in einem Kommentar einen „Rückschlag für den Klimaschutz“, der Standard (Öffnet in neuem Fenster) schreibt von einem „Trick“.
„Das Ziel ist wissenschaftlich fundiert und verbindet gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit“, kommentierte der dänische Klimaminister und Verhandlungsleiter Lars Aagaard das Ergebnis. Die Tagesschau (Öffnet in neuem Fenster) fasst Stimmen aus der deutschen Industrie zusammen, wonach es zudem Änderungen beim Emissionshandel für Unternehmen geben solle. Klimaschutzmaßnahmen dürften die Entwicklung der Industrie nicht gefährden, lautet der Tenor. Kritik am Verhandlungsergebnis kommt von WWF und Greenpeace.
Zuletzt hatten die Vereinten Nationen gemeldet, dass die Erde derzeit bis zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 2,8 Grad zusteuere; eine Entwicklung mit verheerenden Folgen, erklärt die taz (Öffnet in neuem Fenster). Offiziell beginnt die Weltklimakonferenz COP30 am nächsten Montag, doch schon diese Woche kommen einige Staats- und Regierungschefs für Beratungen nach Brasilien.

Debatte über Gehälter in der WKO
„Wasser predigen, Wein trinken“ – die Empörung über vermeintliche oder echte heuchlerische Zurückhaltung bestimmt die Diskussion über die jährliche Gehaltsanpassung der Beschäftigten in der Wirtschaftskammer.
Was ist passiert? Am Montag war bekannt geworden, dass die WKO-Mitarbeiter*innen ein Lohnplus von 4,2 Prozentpunkten erhalten sollen. Das liegt deutlich über den Gehaltsabschlüssen ihrer Mitgliederbetriebe sowie der Inflationsrate. Die Erhöhung errechnet sich aus einem Automatismus, der den Wirtschaftszahlen ein Jahr hinterherhinkt, berichtet der Standard (Öffnet in neuem Fenster). Von der FPÖ über die Industriellenvereinigung bis zur SPÖ hagelte es Kritik von allen Seiten.
Am Mittwoch ruderte Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) dann zurück und verschob die Gehaltssteigerung der 5.800 Wirtschaftskammer-Mitarbeiter*innen auf Juli. Damit steigen die Gehälter im Jahr 2026 rechnerisch nur um 2,1 Prozent. Laut Presse (Öffnet in neuem Fenster) soll der rekonvaleszente Bundeskanzler Christian Stocker bei seinem Parteikollegen interveniert haben.
Die ZiB2 deckte gestern auf, dass Mahrer selbst mehr verdient als der Bundespräsident: Neben seiner Vergütung als Wirtschaftskammerpräsident (181.903 Euro im Jahr) erhält er als Generalratsvorsitzender der Österreichischen Nationalbank 88.000 Euro jährlich. Bei seiner ersten Ernennung 2018 gab der Vielfachfunktionär noch an, auf die Nationalbanksbezüge zu verzichten. Mahrers Begründung zur ZiB2: „In der zweiten Amtsperiode ist da viel mehr Arbeit dazu gekommen. Ich habe das am Anfang unterschätzt. Wenn Sie ein anderes Arbeitsvolumen haben und mehr Dinge tun [...], dann ist das auch total in Ordnung.“ Wie viel Geld Mahrer in seinen anderen Funktionen verdient, ließ er gegenüber dem ORF unbeantwortet. Am Donnerstag kündigte jedenfalls der Rechnungshof eine Überprüfung an.
Ein saftiges Gehaltsplus von 49 Prozent gibt (Öffnet in neuem Fenster) es für die Tiroler Wirtschaftskammerpräsidentin Barbara Thaler: Statt 7.000 Euro erhält sie künftig über 10.000 Euro monatlich.

Tschechien: Rechtsextremer als Parlamentspräsident gewählt
Wahlsieger Andrej Babiš hat mit seiner rechtspopulistischen Ano-Partei, der rechtsextremen Autofahrerpartei sowie der rechtsextremen Partei „Freiheit und Demokratie“ (SPD) am Montag eine Koalition vereinbart (Öffnet in neuem Fenster). Während die Ministerliste wohl erst Ende November feststehen wird, kam es gestern in Prag zur ersten höchstumstrittenen Personalentscheidung. Der ultrarechte Tschecho-Japaner Tomio Okamura wurde von den Abgeordneten der Koalition zum Parlamentspräsidenten gewählt. Okamura ist in der Vergangenheit als Nato- und EU-Kritiker sowie mit rassistischen Wahlplakaten und Aussagen gegen Schwarze Personen, Ukrainer*innen und Roma aufgefallen. Der Wahl des SPD-Vorsitzenden sind heftige Debatten vorangegangen. Unter anderem warnte (Öffnet in neuem Fenster) sein Bruder, der christdemokratische Abgeordnete Hayato Okamura, dass er ein „labiler Menschen ohne feste moralische Grundsätze“ sei.

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

Erklär mir deine Sterilisation, Julia Brandner
Seit 368 Folgen erklärt Andreas Sator in seinem Podcast die Welt: Sator interviewt darin Expert*innen und Betroffene zu ihrem Thema. In der aktuellen Folge spricht er mit der Autorin und Comedian Julia Brandner über ihre Entscheidung, keine Kinder zu wollen, ihre Sterilisation sowie den Hass, der ihr entgegenschlägt.
https://xn--erklrmir-3za.at/2025/11/04/368-erklaer-mir-deine-sterilisation-julia-brandner/ (Öffnet in neuem Fenster)
8 Frauen, die Deutschland geprägt haben – und die kaum jemand kennt
Zeit, das zu ändern!
https://krautreporter.de/geschlecht-und-gerechtigkeit/6124-8-frauen-die-deutschland-gepragt-haben-und-die-kaum-jemand-kennt#lesen (Öffnet in neuem Fenster)
Ist Netflix das neue Kino?
Der Star-Regisseur Guillermo del Toro (Shape of Water, Pinocchio) wagt sich an eine Neuverfilmung des Klassikstoffs Frankenstein. Die Autorin Mary Wollstonecraft veröffentlichte Frankenstein; or, The Modern Prometheus 1818 und schuf damit eines der einflussreichsten Bücher ihrer Epoche und lieferte laut Wikipedia (Öffnet in neuem Fenster) Stoff für über 400 Filme.
Die gefeierte Neuverfilmung hatte beim Filmfestival in Venedig im Sala Grande des Palazzo del Cinema Premiere, in Österreich wird man den neuen Frankenstein aber nicht im Kino sehen können. Hinter dem Projekt steht – wie in letzter Zeit öfter – kein klassisches Filmstudio, sondern der Streaminganbieter Netflix. Auch die neuen Filme der Oscar-prämierten Regisseurin Kathryn Bigelow sowie Schauspielstar George Clooney haben keine Kinostart in Österreich. Warum der Streaminganbieter das Kino links liegen lässt, analysiert Der Standard.
https://www.derstandard.at/story/3000000295045/frankenstein-nur-online-netflix-auf-konfrontationskurs-mit-der-kinobranche (Öffnet in neuem Fenster)Wie wohl so ein Haidersches Taferl in der Redaktionssitzung ankommen würde?
Dominik